„House of the Dragon“ geht packend weiter: Folge 2 übertrifft den Auftakt

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Paddy Considine als Viserys Targaryen am Tisch
Foto: 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved

Die zweite Folge von „House of the Dragon“ knüpft gekonnt an den Serienbeginn an, um den ausgebreiteten Konflikten Leben einzuhauchen.

+++ Der folgende Artikel enthält Spoiler zur Handlung der Episode. +++

Der König verfault. In der ersten Episode war es der Schnitt in die Hand, zugefügt durch eine übereifrige Machtdemonstration, verletzt am Eisernen Thron. Jetzt verfärbt sich das infizierte Fleisch. Viserys Targaryen muss es von Maden abfressen lassen, um den Körper konservieren zu können, der parallel zu seiner Regentschaft zu schwächeln beginnt. Ihm gehört diese spannende zweite Episode: Paddy Considine, der dem Targaryen-König eine vielschichtige Persönlichkeit verleiht. Wie „House of the Dragon“ in dieser Woche fortgesetzt wird, funktioniert in der knappen Stunde Laufzeit allein schon als Charakterstudie dieses vermeintlich besonnenen Herrschers, der im Kern womöglich einfach nur als verblendeter Tollpatsch agiert.

Eine schwere Entscheidung hat er zu treffen, die einer erneuten Heirat. Die Machtsicherung verlangt es, die Krone muss um ihr Ansehen fürchten. Haus Velaryon stellt ihm eine Kindsbraut zur Seite, mit der die beiden valyrischen Familien vereint und gestärkt werden sollen. Tradition und politische Ziele sind wichtiger als die Moral. Am Ende wird sich Viserys trotz überzeugender Argumente gegen diese Heirat entscheiden und stattdessen nach eigenem Kopf die (ebenfalls viel zu junge) Alicent Hightower als seine neue Braut verkünden. Ihr Vater, die Hand des Königs, hat sie auf selbigen angesetzt.

Corlys Velaryon in "House of the Dragon"
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Alte Stärken

„House of the Dragon“ entfesselt den Konflikt zwischen den beiden Freundinnen Alicent und Rhaenyra – entzweit durch die patriarchale Ordnung. Ihre engste Vertraute soll nun Rhaenyras direkten Konkurrenten in der Thronfolge zur Welt bringen. Selbst die versprochene Insel Dragonstone hat sich längst jemand anderes unter den Nagel gerissen: Rhaenyras Onkel Daemon, der bei der Gelegenheit gleich noch ein Drachen-Ei aus der Hauptstadt entwendet. Und so sind sie dahin, die Anklänge von Reform und Progression, die schon das pompöse Ende der Auftaktepisode nur als Augenwischerei vorgeführt hat.

Paddy Considines Figur ist eine, die im Kern eine zutiefst konservative Politik verfolgt. Die hier und da symbolische Gesten verteilt, als netter, witzelnder, gutmütiger Vater auftritt, aber im entscheidenden Moment doch für die „Pflicht“ und das „Wohl des Reiches“ den Stillstand bevorzugt. Bedeutet in erster Linie: den gewohnten, verqueren Lauf der Dinge mit allen Gewalttätigkeiten beizubehalten. Ein Bestätigen der Alternativlosigkeit. Das war schon immer das Faszinosum des „Game of Thrones“-Universums: Solche ambivalenten Charaktere zu schaffen, von denen man sich verführen lässt, während sie Verwerfliches anstreben.

„Game of Thrones“ war damals bis zum finsteren Schluss immer wieder dabei, seiner Sehnsucht nach den womöglich doch noch würdigen und passenden Alleinherrschern zu verfallen. Insofern besinnt sich „House of the Dragon“ mit seiner Skizzierung von Viserys Targaryen clever und subtil auf gewisse Brüche solcher Fantasien zurück, die am Anfang einmal dominierten. Wenngleich man nach einem demokratischen Narrativ als Gegengewicht in der Welt von Westeros erneut mit der Lupe suchen muss.

Machtverteilung per Drachen-Ei

Wahrscheinlich sollte man alle Sympathien jenen Figuren zuwenden, die nun als die vermeintlich Bösen markiert sind, die Ordnung erschüttern, Macht verteilen wollen: Corlys und Daemon, den beiden Gekränkten, die sich verschworen haben, um gemeinsam all das in die Hand zu nehmen, mit dem sich der König nicht beschmutzen will.

Die zweite Episode von „House of the Dragon“, die den Titel „The Rogue Prince“ trägt, bereitet diesem Rütteln an der Targaryen-Hegemonie große, erneut imposant eingefangene Bühnen, auf denen angespannte Wortgefechte ausgetragen werden. Im Zentrum: zwei Parteien, die auf einer nebelverhangenen Brücke um eine Massenvernichtungswaffe in Form des Drachen-Eis ringen.

Alles ist konzentrierter, gesetzter noch als die etwas überfrachtete Auftaktepisode. „The Rogue Prince“ hat verstanden, dass es nicht noch einmal die ganze „Game of Thrones“-Palette auf einmal benötigt, um sein Publikum bei Laune zu halten. Stattdessen beweist die aktuelle Folge ihre Stärke im Vertiefen, Aufgliedern, Zuhören, Pointieren von Dialogen, Formen von Widersprüchen.

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Folge 2 enthüllt das Intro von „House of the Dragon“

Dass Viserys als tragische Herrscherfigur aufgebaut wird, der die Hände gebunden zu sein scheinen, entpuppt sich schon jetzt als geschickter doppelter Boden, ist er doch selbst aktiv handelnder Teil des Systems, das seine Familie und das Regime zu Grunde richten wird. In seinem Kämmerlein schaut er auf ein Modell des alten Valyria, trauert vergangenen Glanzzeiten nach, die den Blick auf kommende Herausforderung versperren.

Im etwas kryptisch anmutenden neuen Vorspann, der in dieser Woche zum ersten Mal zu sehen ist, taucht dieses Modell ebenfalls auf, sofern man die dunklen Schemen überhaupt identifizieren kann. Eine Blutspur schlängelt sich da hindurch, verbindet Siegel und Wappen, besudelt sie. Im Hintergrund läuft die altbekannte „Game of Thrones“-Melodie. Auf ein neues Musikstück hat man verzichtet, dem Publikum will man nichts Neues zumuten.

Vielleicht handelt es sich dabei um die einzige größere Ernüchterung in dieser starken Episode. Das ergibt vor dem Hintergrund eines selbstzerstörerischen Konservatismus, den die Serie verhandelt, aber auch eine recht treffende Dopplung: frischer Lebenssaft in alten Ruinen. Das Beschwören alter Denkmäler, auch musikalisch, ersäuft im Blut.  

„House of the Dragon“ ist seit dem 22. August bei Sky zum Streamen verfügbar. Jeden Montag erscheint eine neue Episode. Weitere Infos zur Ausstrahlung gibt es hier.

Einen Trailer zur bevorstehenden dritten Folge kann man hier sehen:

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Alle Besprechungen zu „House of the Dragon“ im Überblick:

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Bildquelle:

  • corlys-hotd: © 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved.
  • house-of-the-dragon-visery: HBO

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