Sherlock Holmes

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Sherlock Holmes, Teil 6

Sherlock Holmes‘ Manifestation

Ursprungsnähe, Kanonferne

Möchte man Guy Ritchies Sherlock-Holmes- Streifen kritisieren, so muss man eigentlich nur Sherlockianer sein, und schon fallen einem unzählige Dinge auf, die so nicht ins Holmes’sche Weltbild passen. In Anbetracht dessen gelingt es Nicht-Fans wesentlich leichter, den Film zu genießen. Vergleichbar ist dieses Phänomen mit der Resonanz auf den elften „Star Trek“-Film, der mit seiner vorrangigen Actionkomponente und der simplen Storyline ähnliche Wege ging. Wesentlich gravierender für den unbeleckten Filmbetrachter sind die inhaltlichen Kanten, die der Plot bietet. Ein Beispiel: Zu Anfang wird die spektakulär gefilmte Holmes-O-Vision exakt zwei Mal vorgeführt. Danach kommt sie nie wieder zum Tragen.
 
Nicht einmal in der finalen Auseinandersetzung erinnert sich Holmes an seine optisch herausragendste Fähigkeit. Fast scheint es so, als dienten diese im Ansatz brutalen Sequenzen lediglich der Entschuldigung für Guy Ritchies bisher einzigen Film, der eine Zwölfer-Freigabe erhielt. Die meisten guten Ideen, wie die Personenanalyse im Allgemeinen, werden nur kurz angerissen und geraten viel zu schnell wieder in Vergessenheit. Überhaupt ist das Filmerlebnis so flüchtig wie der Geschmack von Popcorn. Beim Essen schmeckt es toll, eine Sekunde später aber ist es vollkommen nichtig. Der eher blasse Bösewicht Blackwood potenziert diesen Effekt sogar noch. Mark Strong ist im Prinzip genau die richtige Besetzung für die Rolle, geht neben dem schillernden Detektivduo jedoch kläglich unter, zumal er aus dem Hintergrund agiert.
 
Die in der Literatur und den bisherigen Verfilmungen so wichtigen Dialoge zwischen Holmes und Watson sind auch hier großartig pointiert, weichen allerdings oftmals spontanen Schlägereien. Entschuldigend könnte man Letztere als die physische Fortführung der Gespräche verstehen, da jeder auf seine eigene Weise kämpft.

Good Old London

Für die CGI-Rekonstruktion des viktorianischen Londons war das Effektstudio Double Negative unter der Teamleitung von David Vickery („The Dark Knight“), Rick Leary („10.000 B. C.“) sowie Alan Boucek („Gamer“) zuständig. Uneingeschränktes Lob verdienen sie für die markante Tower Bridge als Schauplatz. Anachronismen wie spezielle Straßenschilder, Technologien oder diverse Gebäude, die vor dem 20. Jahrhundert noch gar nicht existierten, fallen kaum ins Gewicht. Und selbst der gelegentlich gezeigte Rechtsverkehr ist ein verzeihlicher Fauxpas. Immerhin achteten die Requisiteure penibel darauf, die Baker Street originalgetreu nachzuempfinden, wodurch die Kamerafahrt vom Straßenschild zum Hauseingang 221b an den Vorspann der 1980er TV-Serie mit Jeremy Brett erinnert.
 
Holmes’ Räumlichkeiten entlieh sich die Crew übrigens dem ebenfalls von Warner produzierten „Harry Potter und der Orden des Phönix“ (2007), wo sie noch als Sirius Blacks Behausung dienten. Summa summarum ergibt sich ein kurzweiliges Filmabenteuer ohne großartige Kriminalistik, dafür aber mit exzellenten Darstellern, die ihren Figuren den nötigen Slapstick-Charakter mit einem ordentlichen Schuss Zynismus verleihen. Der vorliegende erste Teil bildet eine gelungene Basis für weitere, hoffentlich tiefergehende Kinoabenteuer mit deutlich mehr Rätselcharakter.
 
Die Figuren sind nun eingeführt, jetzt kann der richtige Krimispaß beginnen. Die Fortsetzug ist bereits für 2011 geplant und wird aller Voraussicht nach den Kampf zwischen Moriarty und Sherlock dokumentieren. Bleibt zu hoffen, dass der neue Holmes nicht gleich zu Anfang seiner jungen Kinokarriere die Reichenbachfälle hinabstürzt.

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