Spezialeffekte

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Spezialeffekte, Teil 6

Performance Capturing

Während parallel im Animationssektor klassische Zeichentrickfilme durch CGI-Animationen ersetzt wurden („Die große Pixar-Retrospektive“), spielte in der Realfilmproduktion Compositing eine immer größere Rolle. Regisseure dachten in Layern (Schichten), Schauspieler befanden sich nicht mehr zwingend vor sichtbaren Kulissen und, was noch viel surrealer war, agierten auch nicht unbedingt mit realen Darstellern. Vieles fand nur noch vor blauen oder andersfarbigen Wänden statt und wurde erst in der Postproduktion mit computergenerierten Hintergründen und Figuren ausgestattet.
 
Bestes Beispiel und Wegbereiter hierfür ist Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Trilogie (2001–2003). Neben den Massenszenen, in denen Zehntausende KIgesteuerte CGI-Krieger aufeinandertreffen, tut sich besonders die Figur Gollum hervor, deren Performance so menschlich und glaubhaft wie bei keiner CGI-Figur zuvor wirkt. Sein Darsteller Andy Serkis schlüpfte dafür jeden Drehtag in einen Motion-Capture- Anzug und spielte z. B. die Szenen mit Frodo-Darsteller Elijah Wood und Sean Astin vor laufender Kamera durch. Die Computerfigur wurde dann im Nachhinein einfach über den herausretuschierten Serkis gelegt. Als Jackson entschied, Serkis nicht nur als Synchronsprecher einzusetzen, sondern auch seine Mimik auf Gollum zu übertragen, war für ihn auch klar, dass das Wesen zumindest im Ansatz die Gesichtszüge des Künstlers tragen sollte.
 
Innerhalb von zweieinhalb Monaten musste die noch recht junge Visual-Effects-Schmiede Weta Digital den Gollum, der im ersten Teil „Die Gefährten“ benutzt wurde, dementsprechend neu modellieren. Zahllose Skizzen und über 100 Maquette-Skulpturen – eine für jeden Gesichtsausdruck – wurden angefertigt, um die Figurrichtig hinzubekommen. Gollum war so detailreich gestaltet, dass selbst seine Pupillen die Form änderten, wenn er zwischen seinen Persönlichkeiten wechselte. Erstmalig war es mittels einer Technik namens „Subsurface Scattering“ (Lichtstreuung unter einer Oberfläche) möglich, die Lichtreflexion menschlicher Haut realitätsnah zu simulieren.
 
Andy Serkis’ darstellerische Leistung wäre sogar als Anwärter für einen Oscar durchgegangen, wenn die Regeln der Academy nicht die sichtbare Präsenz auf der Leinwand vorschreiben würden. Angesichts der sich inzwischen häufenden CGI-Real-Filme wird dieser Punkt aber vielleicht in Zukunft noch einmal überdacht werden müssen. Der Erfolg von „Der Herr der Ringe“ beförderte Jacksons neuseeländische Firma Weta jedenfalls zur zweiten großen Effektschmiede Hollywoods. Fairerweise sollte an dieser Stelle noch der Science-Fiction-Film „Final Fantasy – The Spirits Within“ erwähnt werden, der 2001 erschien und somit noch vor Smeagols großem Auftritt in „Die zwei Türme“ (2002) unglaublich realistisch dargestellte CGI-Menschen und -Umgebungen aufwies.
 
Weitere Filme wie „Fluch der Karibik 2“ (2006) oder „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ (2008) verfeinerten das Verfahren des Performance Capturings, indem sie mehr Punkte registrierten oder mit einer zusätzlichen Kamera über dem Gesicht des Schauspielers dessen Mimik akkurater einfingen. Fischkopp Davy Jones profitierte dadurch deutlich mehr von Bill Nighys exzellentem Schauspiel und Brad Pitts Gesicht konnte authentisch auf sein rückwärts alterndes Film-Ego Benjamin Button gelegt werden.

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