Hat die Welt wirklich auf eine neue mobile Spieleplattform gewartet? Mitnichten, doch bietet Sonys PS Vita letztlich doch genügend Alleinstellungsmerkmale, um Spielerherzen schwach werden zu lassen.
Ganz klar: Eine derart aufwändige Hardware gab es im Mobilbereich bislang nicht. Ein Vierkern-Hauptprozessor und eine Vierkern-Grafikeinheit greifen auf den 512 MB Haupt- bzw. 128 MB Grafikspeicher zu (ca. fünffache Speichermenge im Vergleich zu Nintendo 3DS) und je nach Taktung der Prozessoren liefert die PS Vita rund die doppelte Leistung im Vergleich zu Apples iPad2.
Der Bildschirm besitzt eine Diagonale von rund 13 cm und trumpft mit modernster OLED-Technik auf: Eine perfekte Bildschärfe, satte Kontraste und schillernde Farben aus allen Blickwinkeln sind damit garantiert. Insbesondere Nintendos 3DS sieht dagegen ganz schön alt aus, doch das war beim Vorgänger DS im Vergleich zu Sonys PSP nicht anders – am Ende setzte sich dennoch die schwächere Hardware durch.
Sony hat allerdings aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt: Das umständliche UMD-Disc-Laufwerk ist Geschichte, wie bei Nintendos 3DS werden sämtliche Titel auf Flashkarten in die Ladenregale gestellt oder zum digitalen Download angeboten – das reduziert während des Spielens nicht nur die Ladezeiten, sondern schont auch den Akku, der nun auch in Spielen bis zu fünf Stunden durchhält.
Ärgerlich: Die Abwärtskompatibilität zur PSP ist mangels UMD-Laufwerk größtenteils Geschichte, inwieweit alle erworbenen PSP-Spiele kostenlos auf die PS Vita via PSN-Store hinübergerettet werden können, bleibt abzuwarten. Erfreulich: Für den Onlinezugang können Sie Ihren bestehenden PSN-Account auch auf der PS Vita nutzen.HD oder nicht HD?
Mit einer Bildauflösung von 960×544 Bildpunkten hat sich die Pixelfülle im Vergleich zur PSP vervierfacht, doch rechnerisch stellt die Vita nur knapp 500 000 Bildpunkte dar und liegt somit klar unterhalb des HD-ready-Standards – also keine HD-Qualität?
In der Praxis hilft ein Blick auf Apples iPhone 4: Dieses besitzt nur unwesentlich mehr Bildpunkte, doch bezeichnet Apple die Auflösung als derart hoch, dass das menschliche Auge die einzelnen Bildpunkte nicht mehr wahrnehmen kann. Wie passt das zusammen? Je kleiner die Bilddiagonale im Verhältnis zur Pixelanzahl, desto schwieriger wird es, einzelne Bildpunkte auszumachen, selbst wenn wir mit der Nasenspitze den Bildschirm berühren.
Da das iPhone 4 über rund 600 000 Bildpunkte bei nur knapp 9cm Bilddiagonale verfügt, ist die Pixeldichte derart hoch, dass der Eindruck entsteht, als würde man eine gedruckte Seite, ohne digitale Artefakte betrachten. Sonys PS Vita gelingt dies aufgrund etwas geringerer Auflösung und größerer Bilddiagonale zwar nicht in gleichwertiger Qualität, bei normalen Betrachtungsabständen erscheinen aber auch hier die Bilder derart klar, dass man ohne Einwände von einer echten HD-Qualität sprechen kann.
Betrachtet man grafisch enorm aufwändige Spiele, wie „Uncharted“, ist aber auffällig, dass nicht alle Titel die native Auflösung des Displays unterstützen, sondern teilweise eine geringere Auflösung an den Tag legen, was das theoretische Potenzial etwas schmälert und Kantenflimmern stärker hervortreten lässt. Um nicht in direkte Konkurrenz zur stationären Konsole PS3 zu treten, verzichtet Sony bei der PS Vita auf einen Videoausgang – das Spielerlebnis bleibt somit auf den 5-Zoll-OLED-Bildschirm beschränkt.Alles, was das Spielerherz begehrt
Galt vor einigen Jahren noch der Slogan: Nintendo setzt auf Kreativität, Sony vorrangig auf Hardwarepower, so wandelt sich das Bild bei der Betrachtung der PS Vita. Statt 3D-Spielereien spendiert Sony der Mobilplattform eine Bewegungserkennung, Front- und Rückkamera (allerdings mit schwacher VGA-Auflösung), zwei Touchscreens (vorn und hinten) sowie zwei Analogsticks.
Während Sie bei Nintendos 3DS beispielsweise den rechten Steuerknüppel erst umständlich per Aufsatz nachrüsten müssen, bleiben Ihnen diese Zusatzkosten mit der Vita erspart. Vorbesteller der PS Vita können sich aktuell zudem auf kostenlose 8-Gb-Speicherkarten freuen, zum Japanstart sorgte das fehlende (und kostspielige) Zubehör noch für großen Frust, denn anders als bei Nintendos 3DS setzen viele PS Vita Spiele eine separate Speicherkarte zwingend voraus.
Besser als iPhone und Co?
Die PS Vita versucht alles zu sein, bleibt im Kern aber eine reine Spielekonsole. Die Internetfunktionen, wie das Surfen im WWW, sind bislang halbherzig integriert und der eigene App-Store kann nicht mit Apples Gegenpart oder dem Android-Market konkurrieren. Auch aufseiten der Multimediawiedergabe ist die PS Vita weit davon entfernt, alle aktuellen Codecs abzuspielen. Dennoch ist es ein Irrglaube, anzunehmen, dass Mobiltelefone der PS Vita den Rang ablaufen.
Weder sind App-Nutzer bereit, deutlich mehr als 10 Euro in aufwändige Spieleproduktionen zu stecken, noch können sich Entwickler für IOS und Android auf eine derart starke mobile Hardwareplattform konzentrieren – der kleinste gemeinsame Nenner bildet in den App-Stores meist die Grundlage für die Spieleprogrammierung, alles andere würde die Absatzzahlen künstlich einschränken.
Somit bleibt die PS Vita auf längere Sicht die einzige Mobilplattform, die Annäherungsweise an die Performance aktueller Heimkonsolen herankommt, und sie gibt Spieleherstellern die nötigen Werkzeuge in die Hand, um mit einfachen Mitteln entsprechende Umsetzungen kosten- und zeitsparend bereitzustellen. Ob sich viele Mobil-Gamer auf zeitintensive Blockbuster-Titel einlassen werden, bleibt abzuwarten.Fazit
Die PS Vita bietet nicht nur die mannigfaltigsten Steuerungsmöglichkeiten, sondern auch die beste Hardware am Mobilmarkt und fast scheint es so, als wolle Sony die Entwickler mit Gewalt zur eigenen Plattform bekehren, ganz nach dem Motto: Seht her, unsere PS Vita kann wirklich alles.
Dass dabei in Einzelbereichen die Qualität etwas leidet (z.B. schwache Kameraauflösung) oder die Handhabung nicht immer so glatt läuft wie gewünscht (z.B. Abdeckungen der Kartenslots entfernen), ist in Anbetracht des luxuriösen Gesamtpakets verschmerzbar, zumindest, wenn man die PS Vita nicht als iPod-Ersatz, sondern als reine Spielkonsole sieht. Eines ist bereits jetzt sicher: Core-Gamer haben sich mit einer mobilen Plattform noch nie so wohl gefühlt und im Gegensatz zur alten PSP steht die PS Vita auch in spielerischer Hinsicht dem großen Konkurrenten Nintendo 3DS in nichts mehr nach.
Um allerdings die iPod-Generation zu bekehren, muss Sony aufseiten der Benutzerfreundlichkeit und des Online-Stores noch gewaltig nachlegen. Eine Chance hat die PS Vita auf alle Fälle verdient.
Die PS Vita erscheint am 22. Februar offiziell in Deutschland. Der Preis beträgt 249 Euro für die Wi-Fi und 299 Euro für die 3G-Version. 5 Gründe…
Spiele-Tipps für die PS Vita
PS Vita klassisch
Eine neue Playstation ohne die bekannten Klassiker wäre wie Nintendos 3DS ohne Super Mario. Wer kann zu „Wipeout“ und „Uncharted“ schon Nein sagen?
Wipeout 2048
Auf die Wipeout-Macher ist Verlass: Der neueste Titel protzt wie eh und je mit irrer Geschwindigkeit und herausragender Grafik. Im Gegensatz zur PS3-Fassung spielt sich auch die Bewegungssteuerung angenehm. Wie detailverliebt die Entwickler zu Werke gehen, zeigen die erstklassigen Rendervideos zu „Wipeout 2048“. Details zum Spiel bei Amazon.
Ridge Racer
Wie sich doch die Zeiten ändern: Galt das erste „Ridge Racer“ zur Einführung der Playstation Mitte der 1990er noch als grafisches Aushängeschild, so ist die PS Vita Veröffentlichung unerwartet unspektakulär. Der ermäßigte Verkaufspreis wird durch die magere Strecken- und Fahrzeugwahl teuer erkauft. Details zum Spiel bei Amazon.
Uncharted: Golden Abyss
Für die einen ist es das schönste Spiel auf einer mobilen Plattform überhaupt, für die anderen ist es nur eine abgespeckte Grafikdemo der PS3-Vorlage. Das Gesamtpaket wirkt aber auch auf der PS Vita stimmig: Coole Dialoge, abwechslungsreiche Kletter- und Actioneinlagen sowie witzige Puzzleelemente, die von den Fähigkeiten der PS Vita umfangreich Gebrauch machen, sorgen für unterhaltsame Spielstunden. Details zum Spiel bei Amazon.
Ultimate Marvel vs. Capcom 3
Ghost Rider gegen Phoenix Wright, Spiderman gegen Chun-Li, Dante gegen Wolverin: Im Comic-Klopper werden die Karten bunt gemischt und der Bildschirm gleicht beim Aufeinandertreffen der wenig zimperlichen Kontrahenten einem Farbenrausch. Nicht jedermanns Sache aber auf alle Fälle ein Must-Have für Beat’em-Up-Fans. Details zum Spiel bei Amazon.
Everybody’s Golf
In Japan ein echter Verkaufsschlager, hierzulande zumindest ein Geheimtipp unter den Playstation-Fans: Die poppig bunte Golf-Simulation verbreitet dank doppelter Touchscreen-Steuerung auch spielerischen Charme. Details zum Spiel bei Amazon.
ModNation Racers: Road Trip
Kein Super Mario Kart aber mittels Streckeneditor fällt die Spieldauer nahezu unendlich aus. Dank der erweiterten Onlinefunktionen der PS Vita gelingen der Datenaustausch und Onlineduelle komfortabel wie nie. Details zum Spiel bei Amazon.
PS Vita kreativ
Keine Lust auf aufgewärmte Spielserien? Dann sind unsere Geheimtipps genau das Richtige gegen bitterkalte Wintertage.
PS Vita AR Games
Die Verknüpfung von realen Umgebungen, die in Echtzeit durch die Kameras der PS Vita erfasst werden, und 3D-Spielegrafiken, steht bei der PS Vita stärker denn je im Vordergrund. Sechs sogenannte AR-Karten liegen dem System bei, weitere Inhalte stehen im PSN-Store zum Herunterladen bereit. Wer von den Argument-Reality-Funktionen des Nintendo 3DS angetan war, sollte unbedingt die Möglichkeiten der PS Vita ausloten!
Sound Shapes
Bauen Sie Ihre eigenen Level und bleiben Sie immer im Takt: Was wie ein simples Geschicklichkeitsspiel wirkt, macht durch die Verknüpfung von intuitiver Touchscreen-Bedienung, farbenfroher Levelarchitektur und experimentellen Klangfarben schnell süchtig.
Gravity Rush
Die Welt steht Kopf! Im Actionspiel lösen Sie auf Knopfdruck die Gravitation auf, nur um wenige Sekunden später im Affenzahn zum nächsten Gebäude zu fliegen – wehe, wenn sich ein Gegner auf der Flugbahn bewegt.
Escape Plan
Der Geheimtipp der Gamescom 2011 stellt Ihnen zwei skurrile Charaktere zur Seite, die in kniffligen Geschicklichkeitspassagen den eigenen Tod entrinnen müssen – oder auch nicht, denn selbst die Fallen und witzigen Todesanimationen laden zum wilden Experimentieren ein.
Little Big Planet
Aufgrund großer Beliebtheit der PS3-Vorgänger eigentlich kein Geheimtipp mehr, aber immer noch eine erfrischende Abwechslung im oftmals ermüdenden Spiele-Einerlei. Dank Touch-Steuerung auch für Fans der Vorgänger ein völlig neues Spielerlebnis.
Rayman Origins
Die Verkaufszahlen der PS3- und Xbox360-Fassungen waren gut, aber nicht mehr, mit der ebenbürtigen PS-Vita-Fassung nimmt die kunterbunte Jump’n-Run-Orgie nun einen zweiten Anlauf. Die liebevolle 2D-Grafik ist auf dem OLED-Bildschirm der PS Vita der reinste Genuss! Details zum Spiel bei Amazon. [Christian Trozinski]
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