[Rückblick] Vor einem Jahr ging die Primacom AG insolvent

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Die ostdeutsche Primacom AG wurde von den Banken in die Insolvenz getrieben um den hochprofitablen operativen Betrieb nach Meinung vieler Aktionäre per Enteignung zum Schleuderpreis billigst selbst zu übernehmen.

Bei der Primacom AG zeichnet der 18. Juni 2010 den bisherigen Tiefpunkt des Unternehmens. Der Kabelnetzbetreiber musste beim Amtsgericht Charlottenburg Insolvenz anmelden, obwohl der operative Betrieb seit Jahren mit einer Gewinnrendite von um die 40% hochprofitabel ist und im Pleitejahr bei 110 Millionen Euro Umsatz 43 Millionen Euro EBITDA-Ertrag erwirtschaftet wurde.
Auslöser der Pleite war ein Streit zwischen den Mehrheitsgesellschaftern, den Luxemburger Finanzkonstrukten Escaline und Orion Cable, sowie den Banken über die künftige Finanzierung des Unternehmens. In den vergangenen Jahren hatten die Kredit finanzierenden Banken und Hedgefonds an dem Unternehmen prächtig verdient, teilweise grenzten die geforderten Kreditzinsen an Wucher. „Die Banken haben den Aktionären stets die Butter vom Brot genommen“, so ein leitender Ex-Primacom-Mitarbeiter gegenüber DIGITAL FERNSEHEN. Die Geschäftszahlen entwickelten sich immer positiver, für 2010 hätte es sogar einen Gewinn pro Aktie gegeben. Doch das ließen die Banken nicht zu.
Mitte letzten Jahres standen die laufenden Kredite zur Verlängerung an. Der damalige Vorstand Michael Buhl gab sich im Mai noch zuversichtlich eine Einigung mit den Banken zu erreichen. Die Kredite sollten in Eigenkapital umgewandelt werden, anschließend wäre das hochprofitable Unternehmen quasi schuldenfrei gewesen. Die Mehrheitsgesellschafter lehnten den Plan ab, die freien Aktionäre wurden erst gar nicht gefragt. Die Kreditgeber sahen ihre Chance gekommen sich quasi per Enteignung das Unternehmen zu krallen.

Die niederländische ING Bank stellte am 1. Juni Forderungen von rund 29,2 Mio. Euro fällig und ordnete für 5. Juli die Zwangsversteigerung an. Zu der durfte es aber auch aus Bankensicht nicht kommen – denn dann hätten ja auch andere wie beispielsweise Kabel Deutschland, die Tele-Columbus-Eigentümer oder Liberty Media mitsteigern können. Nach DIGITAL FERNSEHEN vorliegenden Informationen haben die Banken deshalb bereits Anfang Juni, also noch vor der Insolvenzanmeldung, das Luxemburger Treuhandkonstrukt Medfort S.á.r.l. mit den passenden Geschäftsführern ausgestattet.
Nachdem der als Abwickler bekannte Berliner Insolvenzverwalter Hartwig Albers auch offiziell den Fall am 18. Juni zugeteilt bekommen hatte, ging ihm bereits die Kaufofferte von Medfort samt gutachterlicher Begründung ein. Albers konnte sich innerhalb von lediglich 10 Arbeitstagen ein allumfassendes Bild des Unternehmens machen – und stimmte dem Verkauf des operativen Betriebs an Medfort zum Schleuderpreis zu. Nach einer Schamfrist von einigen Monaten wurde Medfort dann im Januar dieses Jahres offiziell von den Banken übernommen.
Seit einem Jahr ist somit die Primacom AG nur noch eine leere Hülle. Der in der Primacom Management GmbH gebündelte operative Betrieb gehört nun der Medfort und somit den Banken. Aktionäre werfen seitdem dem letzten Vorstand der Primacom AG und jetzigen Geschäftsführer der Primacom Management GmbH, Michael Dorn, Untreue vor. Zu der beispiellosen Enteignung befragt, schweigen die Primacom sowie der abwickelnde Insolvenzverwalter beharrlich. Der Medfort-Geschäftsführer Wolf Waschkuhn versucht indessen aktuell bei der angeschlagenen Pfleiderer AG einen ähnlichen Coup wie bei der Primacom durchzuziehen. Auch hier steht zu befürchten, dass die Aktionäre nahezu leer ausgehen sollen – zum Vorteil der Banken.

[sh]

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4 Kommentare im Forum

  1. AW: [Rückblick] Vor einem Jahr ging die Primacom AG insolvent Leider wurde diese kundenunfreundliche Firma nicht von einem anderen KNB aufgekauft!
  2. AW: [Rückblick] Vor einem Jahr ging die Primacom AG insolvent Gestern Primacom - morgen Unitymedia! Die Bestrafung für Kundenfeindlichkeit.
  3. AW: [Rückblick] Vor einem Jahr ging die Primacom AG insolvent Doch, da der Geschäftsbetrieb in aller Regel weitergeführt wird - und natürlich ganz besonders bei einem Unternehmen mit vertraglich abgesicherten laufenden Einnahmen.
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