Umstrittene Parteinähe des ORF sorgt für Ärger

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Während in Deutschland der Zugriff von Politikern auf öffentlich-rechtliche Sender zuletzt eingeschränkt wurde, beobachtet man derzeit in Österreich eine gegenteilige Entwicklung. Kritiker werfen dem ORF nun zu große Parteinähe vor.

Leidet der Österreichische Rundfunk ORF unter politischer Einflussnahme und mangelndem Fachwissen in wichtigen Gremien? Wissenschaftler und Journalisten jedenfalls kritisieren den öffentlich-rechtlichen Sender. Bei der Besetzung der Gremien spiele vor allem die parteiennahe Verteilung von Posten eine Rolle, bemängelt der Medienforscher und Politikwissenschaftler Andy Kaltenbrunner. „Es fehlt dramatisch an Medienexpertise“, sagt er. Der ORF weist die Kritik von sich.

Bei der ersten Sitzung des neu zusammengesetzten Publikumsrats, einem Aufsichtsgremium des ORF, wird nun ebenfalls die Parteiennähe vieler Mitglieder bemängelt. Der ehemalige Ratsvorsitzende Georg Weißmann kritisiert, dass etliche der durch Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) bestellten Mitglieder den Sozialdemokraten nahestünden.
 
„Der Zugriff der Politik auf den ORF wird größer“, meint Kaltenbrunner. „Es geht immer um viele kleine Schrauben, an denen dafür gedreht wird.“ Bestes Beispiel sei das jüngst von der rot-schwarzen Regierungsmehrheit geänderte ORF-Gesetz. Demnach kann der Publikumsrat als Hörer- und Sehervertretung sechs Mitglieder ohne Vorgaben in das oberste ORF-Gremium, den Stiftungsrat, entsenden. Bislang mussten drei dieser Vertreter von den Hochschulen, der Kunst und den Kirchen kommen.
 
Die Änderung hatte auch bei ORF-Journalisten massive Proteste ausgelöst. Die Koalition habe sich machttechnischen Spielraum verschafft und ihren Einfluss abgesichert, kritisierte der ORF-Redakteursrat. Die Sozialdemokraten und die konservative ÖVP müssten nun noch weniger öffentliche Rücksichten bei Bestellungen in ORF-Gremien nehmen, hieß es.
 
Im Gegensatz dazu hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Einfluss von Politikern auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland zuletzt begrenzt. Die Aufsichtsgremien dürften höchstens zu einem Drittel mit Vertretern aus Staat und Parteien besetzt werden, entschieden die Richter. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe nicht zum „Staatsfunk“ werden. In Österreich sind hingegen die meisten Gremienmitglieder direkt von politischen Entscheidungsträgern entsandt oder zumindest einem politischen Lager zuzuordnen.
 
„An den Fäden der Politik“, titelte nun die Wochenzeitung „Falter“. Das wichtigste Medium des Landes sei noch immer nicht unabhängig, kommentierte das linksliberale Magazin.
 
ORF-Unternehmenssprecher Martin Biedermann betonte hingegen, dass in den Aufsichtsgremien im Unterschied zu anderen europäischen Ländern keine Politiker vertreten seien. „Der ORF ist programmlich und wirtschaftlich sehr erfolgreich, Voraussetzung dafür ist auch die professionelle Tätigkeit der Gremien und die gute, verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit der ORF-Geschäftsführung“, sagte er.
 
Ungeachtet aller Querelen steht der ORF mit seinen vier Fernseh- und zahlreichen Radioprogramm in den kommenden Jahren vor etlichen Herausforderungen: Die Zuschaueranteile gingen leicht zurück und lagen zuletzt bei rund 35,3 Prozent. Zudem sollen Fernsehen, Radio und Online stärker verknüpft werden. ORF-Chef Alexander Wrabetz hatte jüngst eine neue, personalisierbare App mit dem Namen „My ORF“ angekündigt. Medienforscher Kaltenbrunner gibt sich jedoch eher pessimistisch: „Antworten auf den Medienumbruch werden aus den ORF-Gremien kaum kommen“, meint er. [Alkimos Sartoros/das]

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com

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