Prof. Jo Groebel: Preisverfall bei TV-Geräten bringt Bereitschaft für Wechsel zu HDTV

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Berlin/Leipzig – Prof. Joe Grobel, Direktor des Deutschen Digital Institutes Berlin, sieht für die neue TV-Plattform „HD+“ Marktchancen, auch wenn die derzeitige Wirtschaftskrise die Umsetzung neuer Projekte nicht unbedingt befördern würde.

In der letzten Woche kündigte der Satellitenbetreiber SES Astra den Start eines neuen TV-Angebots in hochauflösender Sendequalität (High Definition) an. Der Service namens „HD+“ wird Haushalten neue HDTV-Programme bereitstellen, so der Satellitenbetreiber. Die ersten Programme, die im Angebot von „HD+“ enthalten sein werden, sind die Privatsender RTL und Vox (DIGITAL FERNSEHEN berichtete). Aus diesem Grund sprach DIGITAL FERNSEHEN mit dem Direktor des Deutschen Digital Institutes Berlin,Prof. Joe Groebel.
 
DF: Kann in einer schwächelnden Medienwirtschaft hochauflösendes Fernsehen (HD) für die Sender ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept sein?
 
Joe Groebel: Das ist im Moment schwierig, weil die Wirtschaft schwächelt. Auch die meisten Bürger haben sicherlich andere Sorgen, als ein besseres Fernsehbild zu bekommen. Dennoch gibt es aus meiner Sicht mindestens drei Gründe die dafür sprechen. Gerade in Zeiten der Krise werden die Weichen für die Zukunft der Medien gestellt. Weiterhin ist es natürlich wünschenswert, dass auch in diesem Bereich Konsum stattfindet, ansonsten kommt ja die Wirtschaft nicht aus dem Tal. Drittens gibt es ein sehr großes Bedürfnis nach Unterhaltung. Die Überzeugung, vom herkömmlichen TV zu HDTV zu wechseln, dürfte im Markt vorhanden sein, da ja auch die Preise für Großbildschirme verfallen und die Anschaffung attraktiv machen.

DF: Wie könnte das in Zeiten zurückgehender Werbeeinnahmen aussehen?
 
Joe Groebel: Das ist genau die große Herausforderung, weil wohl nicht sofort refinanzierbar. Gerade weil Einnahmen zurück gehen und ein wirtschaftlicher Schub durch HDTV nicht sofort zu erkennen ist, liegt darin die Hauptherausforderung vor allem für die werbetreibende Branche.
 
Es ist eh an der Zeit, sich von unkreativen TV-Inhalten und unkreativer Werbung zu trennen. Die Zeit ist reif und eigentlich schon überfällig für das Nachdenken in Richtung von mehr Kreativität im Programm und auch in der Werbung. Werbung versteht es schon lange nicht mehr den Konsumenten mit pfiffigen Formen zu überzeugen. Da herrscht doch zu 90 Prozent Trostlosigkeit. Neue Werbeformen und neue Formen des Fernsehen können die Brillanz von HDTV zeigen.
 
Mal ganz tollkühn gedacht: Im besten Falle kann herausragende Werbung in HDTV eine Zugkraft sein, die vom hochauflösenden Fernsehen überzeugt. Werbung in den 60er Jahren das war Avantgarde, da gab es gänzlich neue Sichten und Einsichten. Das war sogar stilbildend für ganze Bereiche der Kultur.
 
Die Wirtschaftskrise ist daher auch Chance für neue Kreativität.
 
DF: Wäre HDTV auch der Motor der Digitalisierung in Deutschland?
 
Joe Groebel: Ganz sicher sogar, ich sehe aber ein großes Problem: Was sind die Mehrwerte von Digitalisierung? Sind es Interaktivität und Abrufbarkeit? Da der Konsument mittlerweile zwischen den Angeboten vieler Plattformen wählen kann, ist die Vervielfachung von Wahlmöglichkeiten kein schlagendes Argument für HDTV.
 
Ein zweiter Faktor besteht in der Möglichkeit von maßgeschneiderten Angeboten, zudem im Zusammenwachsen zwischen traditionellen TV-Angeboten und nutzergenerieren Inhalten, eventuell mit Rückkanal. Die Digitalisierung des Rundfunks ist aber im besten Sinne des Wortes am augenfälligsten mit HDTV erlebbar. Das sollte für die Vermarktung auch so genutzt werden.
 
DF: Wie könnte eine schnelle Einführung von HDTV in Deutschland
unterstützt werden?
 
Joe Groebel: Ganz entscheidend ist es, dem Konsumenten mehr Möglichkeiten zu geben, HDTV zu erleben. Es müsste eine konzertierte Aktion aller an dem Thema Beteiligten, der Sender, der Panelhersteller, der TV-Gerätehersteller, der Receiver-Produzenten und des Handels geben. Die müssten zudem alle an einem Strang ziehen.
 
Vor Jahren startete Pro Sieben Sat 1 HDTV-Sendungen. Der Senderverbund hat damals einen Riesenschub erhalten, als er sich mit einem HDTV-Blockbuster mit dazugehöriger Werbekampagne vom Rest der Sender abhob. Schlagartig waren hohe Quoten da. Das könnte ein Modell sein, wie man HDTV erfolgreich einführt. Die Sender sollten einen HDTV-Blockbuster neueren Datums bewerben. Ein HDTV-Knaller, dermassiv von allen Interessenten beworben und vermarktet wird, das kommt beim TV-Zuschauer garantiert an.
 
DF: Mit Blick auf Europa und die Welt ist Deutschland noch ein HDTV-Entwicklungsland. Welche Ansätze gibt es aus Ihrer Sicht, den deutschen Zuschauern das hochauflösende Fernsehen rasch zugänglich zu machen?
 
Joe Groebel: Physische Erfahrbarkeit. Der Zuschauer muss ständig erleben können, welches visuelle Erlebnis HDTV bietet. Da gibt es auch noch viel Spielraum für informelle Netzwerke, mit denen sich Informationen zum Thema HDTV und HDTV-Sendungen verbreiten lassen. Ich denke da z.B. an Sportfreaks, die internetaffin sind.
 
DF: Sie sind selbst Fernsehzuschauer. Wünschen Sie sich persönlich eine schnelle HD-Einführung?
 
Joe Groebel: Auf jeden Fall, eigentlich schon seit Kofler noch bei Premiere war. Leider sehe ich die Inhalte auch heute noch nicht. Doch denken wir HDTV bis zum Ende durch: Das bedeutet nicht nur eine Investition für jeden Zuschauer, sondern auch für die Sender. Auf Produktionsseite muss man in die Maske investieren, neue Kameras und Sendesteuerungen sind genauso notwendig wie leistungsfähige Übertragungswege. Da kommen Investitionen in die Beleuchtung hinzu und sogar neue Choreografien. Wenn man das zu Ende führt, stehen wir fast schon vor einer revolutionär veränderten Fernsehdramaturgie.
 
DF: Welcher Verbreitungsweg für HD gewährleistet aus Ihrer Sicht beste Empfangbarkeit beim Zuschauer?
 
Joe Groebel: Im Wettbewerb vieler Verbreitungswege kann ein attraktives HDTV-Angebot ja ein zusätzliches Wettbewerbsargument sein, wenn ein Weg eine überzeugende Infrastrukur dafür anbietet.
 
DF: Würden Sie einen konkreten Abschalttermin für das analoge Fernsehen nach dem Beispiel der USA unterstützen?
 
Joe Groebel: Ich würde das unterstützen, auch wenn manche Angebote fürdas Kabel reanalogisiert werden müssen. Im Mikrokosmos Berlin war der konsequente Switch Off beim terrestrischen Fernsehen recht erfolgreich. Ich glaube, ohne festen Termin kommen wir vom letzten Platz bei der Digitalisierung des Fernsehens in Europa nicht weg.
 
DF: Vielen Dank für das Gespräch![mg]

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20 Kommentare im Forum

  1. AW: Prof. Jo Groebel: Preisverfall bei TV-Geräten bringt Bereitschaft für Wechsel zu Das Gegenteil wird mit HD+ in Kombination mit CI+ erzielt werden, weniger Möglichkeiten für den Konsumenten, F R E I H E I T S E N T Z U G und Entmündigung. CI-Plus bringt für den TV-Zuschauer nur Nachteile. Die schon beim Konsument befindlichen HDTV-Receiver werden für das geplante HD+ nicht geeignet sein, HD+ Receiver mit CI+ würden die Möglichkeiten für private Aufzeichnungen erheblich reduzieren / verhindern. Die Bürger und Konsumenten können die Gängel-Spezifikation CI+ und damit auch HD+ durch ein entspechendes Kaufverhalten verhindern! > Die Kunden könnten die zukünftigen HD+ Geräte im Regal lassen, jeder kann frei entscheiden
  2. AW: Prof. Jo Groebel: Preisverfall bei TV-Geräten bringt Bereitschaft für Wechsel zu Prof. Jo Groebel: "Blabla"
  3. AW: Prof. Jo Groebel: Preisverfall bei TV-Geräten bringt Bereitschaft für Wechsel zu HD+ wird in Form von Pay-TV nicht angenommen. Dafür brauche ich nicht studieren, um dieses Scenario vorher zu sagen. Ich orientiere mich an vergangenen Versuchen (z.B. Entavio). Ich denke, man kann der Sache gelassen entgegen sehen. CI+ zerstört sämtliche technischen Innovationen aller PVR / Timeshift und zieht dem Konsumenten die Zwangsjacke an...
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