Die Kontrastlüge

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Das Märchen vom Bildkontrast

Hersteller von Flachbildfernsehern locken Sie beim TV-Kauf mit Kontrastangaben in Millionenhöhe und Fachzeitschrift en präsentieren in Testberichten theoretische Laborwerte, die der gängigen Praxis widersprechen. Doch wie beurteilt man den Bildkontrast eigentlich richtig?

 
Vergleicht man die Testverfahren renommierter Magazine mit den Testverfahren der Hersteller, so erkennt man gewisse Parallelen, denn die sehr komplexe Kontrastdarstellung eines Fernsehers wird in beiden Fällen auf Idealzustände reduziert. TV-Hersteller nutzen die Vorteile der LED-Beleuchtung der LCD-Fernseher: Bei einem schwarzen Vollbild entsteht pures Schwarz und die Kontrastmessung erreicht die Millionengrenze, wenn Schwarz- und Weißflächen nacheinander gemessen werden.
 
Testzeitschrift en messen zwar ebenfalls Schwarz- und Weißflächen, um den Kontrast zu bestimmen, stellen diese Testmuster aber im gleichen Bild dar. Die Folge: Die Kontrastangaben schmelzen zusammen und kommen der Realität deutlich näher. Doch für eine finale Beurteilung des Kontrasteindrucks reichen auch diese Messungen nicht aus.

Die Lüge der Testmagazine

Fachmagazine stellen Kontrastmessungen als Verhältnisangaben dar, ein Wert von 4 000:1 suggeriert: Weiß leuchtet 4 000-mal heller als Schwarz. Wie hell Weiß leuchtet und wie dunkel Schwarz ist, darüber schweigt sich die Angabe aber aus. Deshalb geben Testmagazine die exakte Helligkeit häufig zusätzlich an, aber wie dunkel z. B. 0,02 Candela pro Quadratmeter wirklich sind, ist ohne Fachwissen oder Vergleich nicht zu verstehen. Ein weiteres Problem: Der absolute Kontrast wird immer im komplett abgedunkelten Raum (bzw. mittels abgeschotteten Sensor) gemessen.
 
Für Wohnzimmer spielt dieses Messergebnis fast keine Rolle, denn trifft Sonnenlicht auf einen Fernseher, erhellt sich die Bildfläche trotz Kontrastfilter. Somit macht eine Kontrastangabe, ohne den Raum vor Ort zu kennen, keinen Sinn, denn Leser gehen davon aus, dass der ermittelte Kontrast auch im eigenen Wohnzimmer erreicht werden kann. Zudem werden sehr hohe Kontrastangaben ausschließlich über den Schwarzwert realisiert, denn die Berechnung folgt nach dem Muster: Helligkeit geteilt durch Schwarzwert ist gleich Kontrast.
 
Das Paradoxe an dieser Rechnung: Erreicht ein Fernseher einen tollen Schwarzwert von 0,02 Candela pro Quadratmeter und einen überzeugenden Kontrast von 4 000:1, so verbleibt am Ende nur eine Helligkeit von 80 Candela pro Quadratmeter – viel zu wenig, für ein kontraststarkes Bild im Wohnzimmerumfeld. Demgegenüber erzielt ein Vergleichs-TV mit einem Bildkontrast von 1 000:1 und einer Helligkeit von 200 Candela pro Quadratmeter den besseren Kontrasteindruck im hellen Wohnzimmer, obwohl der Schwarzwert mit 0,2 Candela pro Quadratmeter um den Faktor zehn schlechter ausfällt als beim ersten TV.

Der Kontrasttrick der Hersteller

Durch einen Trick bei der Bildverarbeitung hebeln TV-Hersteller die Aussagekraft von Kontrastmessungen weiter aus. Ein normales TV-Bild besteht nicht nur, wie es die Kontrastmessungen der Testmagazine suggerieren, aus Schwarz und Weiß, sondern aus unterschiedlichen Grau- und Helligkeitstönen. Somit fällt der reale Bildkontrast häufig schlechter aus, als es die theoretische Messung vermuten lässt, ganz einfach weil Bilder häufig nicht den maximalen Kontrastspielraum nutzen. Ein gutes Beispiel ist hierbei der Film „Harry Potter 7.2“, der eine durchweg dunkle Bildkomposition aufweist und vorrangig dunkle Flächen ohne Spitzenweiß zeigt.
 
TV-Hersteller von LED-LCDs machen sich diesen Umstand zunutze, um die Helligkeit der LEDs in diesen Szenen zu reduzieren, was die Schwarzdarstellung dramatisch verbessert. Unser zweites TV-Modell mit einem Schwarzwert von 0,2 Candela pro Quadratmeter kann dadurch ein Schwarz von 0,02 Candela pro Quadratmeter erreichen – jenen Wert, den der messtechnisch überlegene TV erreichte. Doch was passiert mit Bildpunkten, die nicht gänzlich Schwarz sind? Theoretisch müssten diese ebenfalls um den Faktor zehn dunkler werden, doch die Helligkeit der grauen Flächen bleibt identisch!
 
Möglich macht dies das kontrastschwache Ausgangsmaterial unseres Beispielfilms: Durch ein künstliches Anheben des Signalpegels wird die Helligkeit gesteigert, was der Verdunklung der LED-Beleuchtung entgegen wirkt. Dieser Trick funktioniert zwar nicht bei kombinierten Schwarz- und Weißflächen, da in diesem Fall das Videosignal den kompletten Spielraum abdeckt (somit erhöht sich auch nicht der Maximalkontrast einer Messung), der Bildeindruck verbessert sich dagegen dramatisch. Doch kein Vorteil ohne Nachteil: In extremen Situationen kann der Eingriff ins Bildsignal leichte Überbelichtungen und Farbverschiebungen verursachen, zudem werden Bildfehler, wie abgestufte Farbübergänge, stärker betont.

Raum und Bildinhalt entscheiden

Unsere Wahrnehmung ist nicht vergleichbar mit den Messwerten eines Sensors, denn je heller der Bildinhalt und Raum ausfallen, desto schwerer fällt es, aufgehellte Schwarzwerte zu erkennen. Sollten Sie auf sehr hohe Kontrastangaben von mehr als 10 000:1 stoßen, so werden diese allein durch den Schwarzwert und nicht durch die Helligkeit erreicht. Diese Messergebnisse setzen zwingend voraus, dass Sie das Bild in einem komplett abgedunkelten Raum begutachten und der Bildinhalt viele Schwarzanteile enthält.
 
Aber selbst unter diesen Bedingungen erreichen LED-LCDs mittels trickreicher Ansteuerung mittlerweile eine Schwarzdarstellung, die selbst anspruchsvolle Heimkinofans zufriedenstellt – geringe Kontrastwerte bei einer theoretischen Messung hin oder her. Statt auf möglichst hohe Kontrastangaben zu schielen, sollten Sie deshalb den praktischen Test in den eigenen vier Wänden durchführen, denn unsere Augen schlagen am Ende jede noch so teure Messkamera.

(Christian Trozinski)

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