Die letzten Geheimnisse der Natur

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Die letzten Geheimnisse der Natur, Teil 10

„Babys“

Die Zukunft

Was es heißt, in der heutigen Zeit auf die Welt zu kommen, veranschaulicht Alain Chabats („Science Of Sleep“) Produktion „Babys“. Und keine Sorge, hierbei handelt es sich nicht um einen idealisierenden, kitschig-verniedlichenden Film, den sich nur werdende Mütter anschauen sollten. Die Bezeichnung „intelligente Milieustudie über unterschiedlichste Lebensweisen“ trifft es hier wesentlich genauer. Je ein Jahr lang filmten mehrere Drehteams vier Babies und beobachteten die rasante Entwicklung vom ersten Atemzug bis zu den ersten Schritten: Ponijao in Namibia, Mari in Japan, Hattie in den USA und Bayar in der Mongolei. Ziel war es, eine Art Kunstfilm zu schaffen, der einen intimen Einblick in die Erziehungsmethoden, die Kindwerdung sowie die Entdeckung der Welt durch die Augen eines Neugeborenen gewährt.
 
Dafür filmten die Teams rund um die Uhr, um auch ja keinen Moment zu verpassen, in dem etwas zum ersten Mal geschieht. Weil die Babies von Geburt an gefilmt wurden, gewöhnten sie sich schnell an die Kamera und ignorierten sie bald völlig. Laut Regisseur Thomas Balmès wurde zudem nichts inszeniert oder provoziert. Das Ergebnis ist erstaunlich, denn die Collage ist so angelegt, dass der Zuschauer die Entwicklungen chronologisch und vergleichend nachvollziehen kann. Während Mari in einer 30 Quadratmeter großen, sehr sauberen Tokyoter Wohnung aufwächst, verbringt die kleine Ponijao die meiste Zeit in der Natur, trinkt aus Pfützen und spielt auch sonst gern im staubigen Sand. Hattie bekommt ihre Muttermilch aus Flaschen, die über eine Art Melkmaschine gefüllt werden, und Bayar wird von einem Hahn geweckt, der über sein Bett stolziert.

Gewiss dringen ab und an die subjektiven Gedanken des Regisseurs durch. Wenn z. B. das japanische Baby durch die Spielzeugabteilung gekarrt wird, um mit großen Augen die Grundsätze des „Haben-Wollens“ kennenzulernen, bildet im nächsten Augenblick das namibische Baby in einer besitzlosen Welt einen gewollt starken Kontrast. Entschuldigend muss allerdings auch dazu gesagt werden, dass dies alles kommentarlos geschieht und der Interpretationsspielraum seitens des Publikums die meiste Zeit über immens ist. Eine Wertung liegt daher fast ausschließlich beim Betrachter. ästhetisch gesehen sind die Gegenüberstellungen der schillernden Großstadt- und der rigorosen Naturaufnahmen perfekt aufeinander abgestimmt. Und auch die Musik, komponiert von Bruno Coulais („Unsere Ozeane“, „Coraline“) trägt ihren Teil zur multikulturellen Stimmung bei.
 
Die Melodien sind im übrigen sehr vorsichtig eingeflochten, weshalb man hauptsächlich mit den Umgebungsgeräuschen der kleinen „Stars“ konfrontiert wird – auch wenn das manchmal bedeutet, eine 5.1-Kakophonie aus Babyschreien und Frauenstimmen während der Mutter-Kind-Gymnastik zu hören. Das Konzept funktioniert ausgesprochen gut. Es bewirkt nicht nur eine angeregte Nachdenklichkeit über die eigene Kultur, sondern ist auch unglaublich unterhaltsam. Den kleinen „Anarchisten“ bei ihren Abenteuern zuzuschauen, macht einfach sehr viel Spaß. Nicht zu vergessen: Das sind die Kinder, der wir die Welt in diesem Zustand hinterlassen bzw. die in der von uns veränderten Welt leben müssen – eine Verantwortung, der wir nicht oft genug gewahr werden können, weshalb uns die vielen Dokumentationen auch oft genug darauf hinweisen. In diesem Sinne: Auf die Zukunft!

Babys
Genre: Dokumentation
Land/Jahr: FR 2010
Regie: Thomas Balmès
Sprecher:

(Falko Theuner)

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