Dr. Sound klärt auf: Laufzeitunterschiede

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Dr. Sound klärt auf: Laufzeitunterschiede, Teil 3

AV-Receiver und Subwoofer

AV-Receiver

er AV-Receiver wird in seiner Signalaufbereitung und den Funktionen wie Einmessequalizer, Pegel und Distanzausgleich der Lautsprecher von DSPs unterstützt. Im Idealfall, und das ist meist der Fall, werden alle Verstärkerkanäle gleichbehandelt. Somit ist auch die Systemlaufzeit für alle Kanäle gleich. Mit Systemlaufzeit wird die Zeit bezeichnet, die ein Audiosignal vom physikalischen Eingang bis zum Ausgang des Gerätes benötigt. Diese Zeitspanne bewegt sich im Bereich von wenigen Millisekunden. Es ist uns schon vorgekommen, dass wir einen AV-Receiver am Messplatz überprüften und feststellten: Nicht alle Kanäle werden nach der gleichen Systemlaufzeit an den Lautsprecherausgängen ausgegeben! Dabei waren alle Zusatzfunktionen einschließlich Einmessung deaktiviert.
 
Das lässt den Schluss zu: Unterschiedliche Bearbeitungen der Kanäle erzeugen Abweichungen in der Systemlaufzeit untereinander! Wenn man als Hersteller davon ausgeht, dass jeder die Einmessfunktion nutzt und sich dadurch systembedingte Verzögerungen an den einzelnen Kanälen ausgleichen lassen, ist das tolerierbar. Das Interesse unsererseits liegt aber darin zu ergründen, weshalb das so ist. Offizielle Stellungsnahmen dazu gibt es nicht. Deshalb kommt die Annahme auf, dass die Rechenleistung der eingesetzten DSPs zu gering ist, um gleichzeitig alle Aufgaben zu erledigen. Möglicherweise wird die Lösung genutzt, Kanäle, die nicht das Hauptgeschehen unterstützen, technisch zwischenzuspeichern und etwas zeitversetzt zu berechnen. Oder es handelt sich um einen Programm- oder Konstruktionsfehler.

Surround & Subwoofer

Nach der Einmessung eines Surround-Sets durch einen AV-Receiver ist Gelegenheit, die Ergebnisse einzusehen. Dabei kann man feststellen, dass die ermittelte Distanz zum sogenannten Subwoofer häufig mit einem größeren Wert angegeben wird, als die Realität dies vorgibt. Die Gründe dafür können von raumakustischer Natur sein oder einen elektrischphysikalischen Ursprung haben, wie die Gruppenlaufzeit bzw. der Phasengang am AV-Receiver oder des Subwoofers. Wer sich bisher mit dem automatisiert ermittelten Ergebnis einer Einmessung nicht zufrieden gegeben hatte und die Distanz manuell korrigierte, konnte sich plötzlich von einem besseren Klangerlebnis überzeugen. Warum? Die menschliche Erfahrung kennt immer nur einen Ausgangspunkt für ein Schallereignis. Eine zeitliche Verzögerung für einen bestimmten Frequenzbereich in der Schallausbreitung wird immer einen ungewohnten Eindruck hinterlassen, wenn dieser sich mit dem nicht verzögerten am menschlichen Ohr überlagert – vor allem in geschlossenen Räumen, wo die Wandreflexionen als erste Reflexionen einen deutlichen Einfluss auf die Lokalisation des Schallereignisses nehmen.
 
Wenn also die Frontlautsprecher nur bis 80 Hz übertragen und der Subwoofer ab dieser Frequenz die Übertragung übernimmt, wird nur die Explosion oder der Gewitterdonner in der Kinoszene den höchsten Zuspruch an Realitätsnähe erhalten, der in Richtung und zeitlicher Ebene mit den Frontlautsprechern übereinstimmt. Dieser Sachverhalt kann auch mit der Bildung einer ersten Wellenfront bezeichnet werden. Eine Abweichung auf der zeitlichen Ebene, aufgrund von Umwegen für den Schall, führt zu einem weniger definierten und druckvollen Klang. In diesem Fall ist also die Gruppe der Frequenzen von 20 Hz bis 80 Hz vom Subwoofer später am Ohr (die Gruppenlaufzeit ist höher) als die Gruppe der Frequenzen von 80 Hz bis ca. 16 kHz der Frontlautsprecher.
(Jens Voigt)

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