Klangpolitur

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Klangpolitur, Teil 2

Die dritte Dimension

Zunächst wurde mit actionreichen Filmszenen und Höhenlautsprechern getestet. Die erste, offensichtliche Wirkung war die beeindruckende „Klangwand“ rund um den Fernseher herum. Insbesondere bei diffusen Geräuschen wie Wind oder Regen wirkte der Klang wesentlich offener. Da in der natürlichen Umgebung auch nicht nur in einer Ebene lokalisiert wird, wirkte die Wiedergabe mit Höhenlautsprechern auf Anhieb wesentlich realistischer. Auch Geräusche mit großem Höhenanteil, wie das metallische Klappern von Rüstungen, lösten sich merklich von den Lautsprechern. Während bei Audyssey DSX eine deutliche Betonung des Bassbereichs hörbar wurde, stellten wir bei 6.1-/5.1-Ausgangsmaterial einzig mit NEO:X eine Verstärkung der Surround-Back-Kanäle fest. Dies führt jedoch nicht zu einer unangenehmen Überbetonung der Surround-Lautsprecher, wie man es zunächst erwarten würde. Vielmehr wird dadurch die „Übermacht“ der fünf Front-Kanäle ausgeglichen. Gefühlt wurde so das Gewicht von der Front genommen und der räumliche Eindruck etwas verstärkt, was dem Klangbild einen lockeren Charakter verleiht.
 
Im Frontbereich führen die drei Verfahren nur zu geringen Färbungen. Bei geradlinig von seitwärts verlaufenden Geräuschen machen sich die Höhenlautsprecher allerdings in Sachen Lokalisation bemerkbar. Das Geräusch verläuft nicht mehr auf einer Ebene, sondern wird durch die Höhenlautsprecher deutlich abgehoben, wodurch die Bewegung letztendlich eine Welle beschreibt. Hier kommt es also zu einer geringfügigen Verzerrung in der räumlichen Darstellung. Auch der Ton eines PC-Spiels wurde in Sachen Ambientsounds deutlich aufgewertet. Hier machte sich die Elevation diskreter Geräusche jedoch noch stärker bemerkbar. So wurde das Schlagen eines Hammers scharf bei den Höhenkanälen lokalisiert, was in keinem Zusammenhang mit dem Bild stand. Überzeugend hingegen wirkte die Klangerweiterung bei akustischen Ereignissen, die man als Hörer sowieso aus der Höhe erwartet. Dazu gehören Vogelgezwitscher, Blätterrauschen und das Knacken von Ästen im Wind. Letztlich ist also auch der akustische Inhalt ausschlaggebend über den Grad der klanglichen Aufwertung.

Unendliche Weiten

Anschließend wurde das Setup umkonfiguriert zu 9.1 mit Weitenkanälen, die Höhenlautsprecher blieben jetzt ohne Signal. Getestet wurde mit den gleichen Sequenzen wie zuvor. Bei Filmmaterial fällt sofort auf, dass der realistische Höheneindruck wieder verlorengeht. Die grundlegenden Klangcharakter der einzelnen Verfahren bleiben erhalten: Audyssey weist nach wie vor eine deutliche Bassverstärkung auf, DTS NEO:X nimmt auch hier den akustischen Schwerpunkt ein Stück weit von der Front. Ein neuer Höreindruck ist dafür die vervollständigte Umhüllung an den Seiten. So wird schnell klar, dass die Weitenkanäle nicht eine schlichte Verbreiterung der akustischen Bühne bewirken. Das wäre auch nicht vorteilhaft, da eine solche Verzerrung der Breitenabbildung unweigerlich zu Problemen bei der akustischen Bühne führen würde.
 
Stattdessen vervollständigen die zusätzlichen Lautsprecher den Kreis um den Zuhörer herum, die Lücke zwischen den beiden regulären Frontlautsprechern und den Surrounds wird geschlossen. Das macht sich beispielsweise dadurch bemerkbar, dass die seitlichen Phantomschallquellen deutlich stabilisiert werden. Im normalen 5.1-/7.1-Setup sind diese sehr labil und nur unter besten Bedingungen und bei optimaler Sitzposition scharf lokalisierbar. Das Gefühl, sich mitten im Geschehen zu befinden, stellte sich wesentlich intensiver ein. Einzelne Geräusche konnten sich kreisrund und ohne Unterbrechung oder Verzerrung der Bewegung um den Hörplatz herumbewegen. Im Film kann so der Flug eines Pfeils vom Center vorbei an den Ohren in eine hintere Ecke des Wohnzimmers verfolgt werden, Freunde des Videospiels freuen sich über eine genaue akustische Information über den Standort von Umgebungselementen und In-Game-Persönlichkeiten.

Film, Musik oder Spiel?

Auch die unterschiedlichen Modi des DTS-Algorithmus wurden dem Praxistest unterzogen: Movie, Music, Game. Erwähnenswert ist der Eindruck, dass keine der Varianten unnatürliche Veränderungen des Klangs hervorriefen. Die Unterschiede stellen sich subtil ein und entsprechen der Beschreibung. Die Einstellung Music schwächt den Center geringfügig ab, um die Konzentration von ihm zu nehmen und ein besseres Eintauchen in die überzeugende Räumlichkeit zu ermöglichen. Der Modus Game verbessert die Kanaltrennung. Die Räumlichkeit verliert ein Stück weit an Realismus, dafür lässt sich die Richtung von allen Geräuschen genauer feststellen.
 
Für Musik und Film ist diese Variante weniger zu empfehlen, Gamer dagegen freuen sich, den herannahenden Gegner schon an seinen Geräuschen zu enttarnen und so auf alles gefasst zu sein. Unser Testdurchlauf hinterlässt einen positiven Eindruck. Im Vergleich zum Ursprungsmaterial bedeutet der aufpolierte Surround- Klang einen deutlichen Mehrwert. Wichtig dabei ist, dass das Tonmaterial nicht so weit verändert wurde, dass es die ursprüngliche Intention der diskreten Abmischung verändert. Ansonsten ist natürlich der persönliche Geschmack entscheidend – dass man bei Tolkiens Schlachten um Mittelerde wirklich das Gefühl haben möchte, mitten im Geschehen zu sein, ist nicht selbstverständlich.

Die drei Formate im Überblick

(Martin Heller)

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