Zu Besuch im Übertragungswagen für HDTV

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Zu Besuch im Übertragungswagen für HDTV, Teil 2

Noch kein Standard in Deutschland

„Da wollen wir natürlich dabei sein!“

Der Übertragungswagen 6, kurz Ü6, ist die neuste Anschaffung der Film- und Fernsehproduktionsfirma Studio Berlin. Seit Anfang März 2006 im Einsatz kann die zehn Millionen Euro teure Einzelanfertigung Filmmaterial in HD produzieren. Notwendig wurde die kostspielige Investition wegen der Fussball-WM 2006, da die FIFA festgelegt hat, dass das Sportgroßereignis ausschließlich in HD produziert wird. „Ansonsten hätten wir mit der Investition sicherlich noch ein Jahr gewartet, aber bei solch einem Großereignis, noch dazu in Deutschland, da wollen wir natürlich dabei sein“, erklärt uns der Geschäftsführer.
 
Deswegen hat das Studio Berlin im Herbst 2005 beschlossen, die Firma Grass Valley, eine Thomson-Tochter, zu beauftragen, den neuen Ü6 zu bauen. Damit ist das Studio Berlin, was HD-Technik betrifft, auf dem neusten Stand. Bisher gibt es in Deutschland nur etwa fünf HD-Übertragungswagen in dieser Größe. Jeder Produktionsschritt des Ü6 läuft komplett in HD, trotzdem kann das mobile Produktionsstudio auch normale Produktionen in Standard-Definition (SD) herstellen. Die Abwärtskompatibilität war auch eine der Hauptanforderungen an den Übertragungswagen, erklärt uns Harald Becker.
 
HD-Produktionen seien eben noch nicht so umfangreich gesät, dass der Wagen Gewinn bringend nur mit HD-Produktionen ausgelastet wäre. HD ist eben leider noch die Ausnahme. Deswegen wird der Truck auch für ganz normale SD-Produktionen genutzt. „Schließlich sind wir keine ökonomischen Hasardeure“, sagt Harald Becker, während er sich durch die Haare streicht, „wir müssen mit der Technik die Investitionskosten möglichst schnell wieder erwirtschaften.“
 

Vorreiter in der HD-Live-Übertragung

HDTV-Übertragungswagen sind in Deutschland noch lange nicht Standard, selbst von einer langsamen Umstellung auf HD-Technik kann man noch nicht wirklich sprechen. Der neue Ü-Wagen, den z. B. der NDR gerade geordert hat, ist noch nicht einmal für HD-Technik ausgelegt. „Bei der WM sind nur zwei deutsche Übertragungswagen dabei, die Anderen kommen z. B. aus Italien, Spanien, Frankreich und England. Dort ist HD eben schon viel weiter.“ Trotzdem steht für Harald Becker fest, dass sich HDTV auch in Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft, so in zwei bis drei Jahren, durchsetzen wird. „Die WM 2006 wird einen ersten Schub für HDTV geben, der zweite große Schub wird dann spätestens die Olympiade 2008 in Peking. Und dafür sind wir jetzt schon gerüstet.“
 

Der Herr der Bilder

Der geschäftige Berliner muss jetzt los und stellt uns schnell noch einen unscheinbaren Mann in T-Shirt, Shorts und Turnschuhen vor, der schon die ganze Zeit im Wagen Technik aufgebaut hat. Wie wir erfahren, handelt es sich um Andre Schumann, den Ü-Wagenleiter, also den Hauptverantwortlichen im Produktionsteam des Ü6. Vor uns steht ein drahtiger Mann, sehr sportlich, erst auf den zweiten Blick kann man erkennen, dass er älter als dreißig Jahre sein muss. Gar nicht der typische Klischeeberliner, sondern ruhig und besonnen wirkt er, fast ein wenig schüchtern, als er uns die Hand schüttelt. Das ist er also, unser Mann im Finale.
 
Im Wagen mit Andre Schumann bekommen wir eine erstklassige Führung durch den Truck. Mit leiser Stimme erklärt er uns, dass an der linken Längswand mit den vielen Monitoren die Bildtechnik und die Bildregie arbeiten. In der Bildtechnik werden die eingehenden Kamerasignale überwacht. Andre Schumann bricht kurz seine steife Körperhaltung und schaltet mit einigen geübten Bewegungen spezielle Lampen ein, die sich über den Mischpulten befinden, dann löscht er das Deckenlicht. Jetzt ist der Innenraum stark abgedunkelt und der Ü-Wagenleiter steht wieder mit verschränkten Armen vor uns.

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