Zu Besuch im Übertragungswagen für HDTV

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Zu Besuch im Übertragungswagen für HDTV, Teil 3

Wählen zwischen 28 Kameraperspektiven

Die Lampen sind ganz genau geeicht, damit die Bildtechniker die Qualität des einkommenden Filmmaterials beurteilen und gegebenenfalls abgleichen können. Dafür seien meist drei bis vier Techniker vorgesehen, erklärt Andre Schumann in seiner sachlichen Art. Währenddessen führt er uns weiter an der linken Innenwand entlang, in den mittleren Teil des Trucks. Hier befindet sich die Bildregie, also das Herzstück des Übertragungswagens. Normalerweise sitzen dort vier Mitarbeiter, darunter der Bildregisseur und der Bildmischer. Die gesamte Wand ist mit Monitoren gepflastert, oben vier große in einer Reihe, darunter zwei Reihen mit je zwölf kleinen Bildschirmen.
 
Das darunter angebrachte Mischpult ist gigantisch, überall Knöpfe, manche leuchten Gelb, andere sind einfach nur Weiß. Über den Knöpfen zeigen grüne Digitaldisplays unverständliche Ziffernkombinationen an. Drehknöpfe über Drehknöpfe, mehrere Schieberegler – es sieht aus wie in einem Science-Fiction-Film. „Mit den Knöpfen wechselt der Regisseur zwischen den verschiedenen Kameraperspektiven hin und her“, versucht Andre Schumann uns die Technik zu erklären. Jede Kamera wird auf einem der kleinen Bildschirme angezeigt, entscheidet sich der Regisseur für eine der Perspektiven, dann erscheint das Bild auf einem der großen Bildschirme weiter oben. Auf diese Weise wird also der so genannte Feed erstellt, also die Bildabfolge, die dann zu Hause über den Bildschirm läuft.
 

Neue Blickwinkel

Bei Fussball-WMs hat der Regisseur die Auswahl zwischen nicht weniger als 28 Kameraperspektiven. Zum Vergleich: Die Premiere-Bundesligaübertragung kommt derzeit mit acht Kameras (Stand 2006) aus. Selbstverständlich kann niemand diese Bilderflut alleine bewältigen, erklärt uns Andre Schumann, sondern der Regisseur wird die zehn bis zwölf wichtigsten Kameras beobachten, die das Spielgeschehen aufnehmen. Die anderen Kameras werden dann von redaktionellen Mitarbeitern betreut, die dem Regisseur Bericht erstatten, wenn etwas Interessantes passiert ist. Der muss dann auf Zuruf entscheiden, ob der Zuschauer den einen oder anderen Wutausbruch des Trainers oder ein Foul abseits des Balls zu sehen bekommt.
 
Jetzt dreht sich Andre Schumann um und zeigt mit einer kurzen Handbewegung auf die rechte Seite des Trucks, bevor er schnell wieder seine Arme verschränkt. Dort an der rechten Wand sieht es im Vergleich zur linken Seite fast schon übersichtlich aus. Zehn große Bildschirme schmücken die Wand, die Bedienkonsole ist relativ aufgeräumt, an jedem der vier Arbeitsplätze stehen eine Tastatur und ein klobiger Kasten mit großem Jog-Shuttle-Rad. „Das sind die Slomoplätze, da werden die Zeitlupen erstellt, die der Bildregisseur dann einblendet.“ Außerdem werden von dort die Effekte und Schriften geliefert, die die Fernsehbilder unterstützen.
 

Vom Stadion in die Wohnzimmer

Der HDTV-Truck bündelt die im Stadion von den Kameras und Mikrofonen aufgezeichneten Informationen und erstellt die zwölf Feeds, also die verschiedenen Programminhalte. Diese werden dann an das so genannte TOC (Technical Operation Center) weitergeleitet, welches sich vor jedem Stadion befindet. Von dort aus erfolgt der Versand über ein Glasfasernetz der Telekom in die Sendezentrale IBC (International Broadcasting Center) nach München, wo die Feeds über Satellit an alle Sender verbreitet werden, die Rechte am WM-Programm erworben haben. Die Sender wiederum verbreiten ihr Programm dann über die jeweiligen Distributionswege in die Wohnzimmer dieser Welt.
(Frank Meinzenbach)

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