Kika-Affäre: Ex-Manager wird ab Montag der Prozess gemacht

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Getrieben von seiner Spielsucht soll der ehemalige Herstellungsleiter des Kinderkanals Millionen bei dem öffentlich-rechtlichen Sender abgezweigt haben. Am kommenden Montag (6. Juni) wird ihm der Prozess gemacht.

Das kriminelle Spiel mit Gebührengeldern flog erst nach Jahren auf: Über Scheinrechnungen soll der inzwischen gefeuerte Herstellungsleiter des ARDZDF-Kinderkanals seit 2002 mindestens 8,2 Millionen Euro beim Kika abgezockt haben. Für diesen bislang größten Betrugsskandal im öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss sich der Casino-Gänger zu Wochenbeginn vor dem Landgericht Erfurt verantworten. Der 43-Jährige sitzt wegen Bestechlichkeit und Untreue in besonders schweren Fällen auf der Anklagebank. Möglich ist eine mehrjährige Haftstrafe.

Für den Prozess sind jedoch nur Betrügereien seit November 2005 relevant, da frühere verjährt sind. Demnach hat der Ex-Manager bis Ende vergangenen Jahres 61 Rechnungen einer Berliner Produktionsfirma ohne Gegenleistung zur Zahlung angewiesen. Dabei tauchten auch fiktive Posten für Sendungen mit „Bernd das Brot“ und „Beutolomäus“ auf. Die Gesamtbeträge von mehr als 4,6 Millionen Euro soll er sich mit der Firma geteilt haben(DIGITAL FERNSEHEN berichtete).
 
Die Scheingeschäfte kamen erst ans Licht, als sich der Chef des inzwischen insolventen Berliner Unternehmens selbst anzeigte. Der Kika-Mann, bei dem nach der Rückkehr von einem Kurztrip aus Las Vegas im Dezember 2010 die Handschellen klickten, schweigt hingegen beharrlich.

Der interne Revisionsbericht von ZDF und dem bei der ARD zuständigen MDR spricht hingegen Bände. Die Untersuchung offenbart das jahrelange Versagen der Kontrollinstanzen: Vorschriften wurden missachtet, Leistungen ohne Prüfung abgerechnet und Verdachtsmomente ausgeblendet. Laut Bericht steckte der frühere zweite Mann in der Führungsriege des Erfurter Senders noch mit vier weiteren Firmen unter einer Decke, die falsche Rechnungen stellten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen elf Verdächtige, darunter sechs Geschäftsführer und fünf Mitarbeiter des Kinderkanals.

Dass der heimliche Kika-Finanzchef bei einem bescheidenen Etat von 35 bis 38 Millionen Euro lange unbemerkt rund eine Million pro Jahr abzweigen konnte, erstaunt selbst die Prüfer. Sie erklären die Machenschaften unter anderem mit seiner Machtposition: „Gegenüber den über die Jahre wechselnden Programmgeschäftsführern war er seit Gründung des Kika die Konstante auf der Leitungsebene, die über umfassende Betriebskenntnisse verfügte und damit unentbehrlich wurde.“ Ermöglicht durch eine Reihe von Schwachstellen im internen Kontrollsystem konnte er unbehelligt nach Gutdünken schalten und walten. Der Bericht beschreibt auch die Spielleidenschaft des 43-Jährigen, der eine goldene Kundenkarte des Erfurter Casinos besaß.

Für den scheidenden MDR-Intendanten Udo Reiter ist der Skandal ausgesprochen bitter. „Ich war mit dem Kika immer besonders verbunden. Der Betrug hat mich persönlich getroffen“, sagt Reiter, der erst vor kurzem seinen Rückzug noch in diesem Jahr angekündigt hatte. Ursprünglich wollte der dienstälteste ARD-Intendant bereits Anfang 2011 seinen Abschied erklären, hatte das aber wegen der Betrugsaffäre verschoben.

Der MDR hat inzwischen personelle und inhaltliche Konsequenzen aus dem Millionenbetrug gezogen. Verwaltungsdirektor Holger Tanhäuser stellte ohne Schuldanerkenntnis sein Amt zur Verfügung. Der jetzige Kika-Programmgeschäftsführer Steffen Kottkamp wurde wie zwei weitere Mitarbeiter abgemahnt. Eine Kika-Beschäftigte erhielt die Kündigung. Gegenwärtig lässt der MDR seine Kontrollmechanismen von externen Beratern prüfen. Die Untersuchung ist Teil eines Maßnahmepaketes, mit dem der Kika organisatorisch enger an den MDR angebunden werden soll (DIGITAL FERNSEHEN berichtete).

Thüringens Medienstaatssekretär und Rundfunkratsmitglied Peter Zimmermann sieht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach der Affäre insgesamt beschädigt. Er lobt den Kinderkanal aber zugleich als den im Verhältnis zur Quote effektivsten öffentlich-rechtlichen Sender. „Der Kika muss sich weiterentwickeln können, deshalb darf die Federführung des MDR den Sender nicht erdrücken“, warnt Zimmermann vor einer Überregulierung. Denn inzwischen werden Kika-Rechnungen von sieben und mehr Verantwortlichen gegengezeichnet. [Annett Gehler/ar]

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