Vor Sommerpause: Heute letzter neuer „Tatort“

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Tatort Bild: © ARD/SF DRS/ORF/WDR
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Ein toter Junge in der Isar und zwei Familien mit dunklen Geheimnissen stehen im Fokus der Münchner Ermittler. Ab nächstem Sonntag folgen für drei Monate Wunsch-Wiederholungen alter „Tatorte“.

Es ist der Horror aller Eltern: Das Bett im Kinderzimmer ist plötzlich leer. Mit diesem Alptraum beginnt der neue „Tatort“ aus München. Die altgedienten Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) müssen herausfinden, wer Emil (Ben Lehmann) getötet und in die Isar geworfen hat. Die Antwort – soviel sei vorweggenommen – ist ziemlich erschütternd.

Während ihr Mann noch sagt, der Junge sei bestimmt schon zur Schule gefahren – oder bei einem Freund, schleicht Emils Mutter Judith (stark: Laura Tonke) längst ein mulmiges Gefühl in die Knochen. Warum hat ihr Mann nicht mehr nachgeschaut, ob Emil wirklich im Bett liegt, als die beiden nachts von Freunden nach Hause kamen? Warum hat ihr Sohn seine Sporttasche nicht mit in die Schule genommen, obwohl er Sportunterricht hat? Wo ist Emil? Die traurige Antwort bringen Leitmayr und Batic.

Der Beginn der neuen Episode mit dem Titel „Lass den Mond am Himmel stehen“ erinnert streckenweise stark an den britischen Serienerfolg „Broadchurch“. Auch dort ist es die Mutter, der nach und nach immer mehr Ungereimtheiten wie das nicht mitgenommene Pausenbrot auffallen und von der darum zunehmend die Panik Besitz ergreift. Wie die Erkenntnis, dass etwas Furchtbares geschehen ist, langsam einsinkt, ist nicht die letzte Parallele.

Wie auch in „Broadchurch“ gelingt es den Machern dieses „Tatorts“ um Regisseur Christopher Schier, jeden verdächtig erscheinen zu lassen: Der Stiefvater (Lenn Kudrjawizki), der nicht nach dem Stiefsohn sah, atmet so seltsam durch, als er vom Auto zum Haus geht. Emils bester Freund Basti (Tim Offerhaus), der von Emil genervt war, ist so seltsam verschlossen und schnappt sich dessen teuren Fernseher, als die trauernde Mutter ihm anbietet, er solle sich doch als Andenken an seinen besten Freund etwas aus Emils Zimmer nehmen. Wie sehr der Junge in seiner eigenen Welt lebt, wird deutlich, als Batic sein Zimmer durchsuchen will. Die Aktion sieht der Zuschauer allein durch Bastis Augen – mit Gangsta-Rap-Soundtrack, weil der Junge Kopfhörer trägt und laute Musik hört. Eine der starken Szenen des Films.

Und was ist mit Bastis Eltern? Warum können sie der trauernden Judith nicht in die Augen sehen? Und welche Rolle spielt ihre hübsche, gerade 18 Jahre alt gewordene Tochter Hannah (Lea Zoe Voss) in der ganzen Geschichte? Was ist auf diesem Parkplatz passiert, einem bekannten Sextreff, auf dem Emils Fahrrad gefunden wurde? Und welche Rolle spielt die Schule, in der es, wie der erklärte Schulhasser Batic bemerkt, immer nach „Angst, Schweiß und Liebeskummer“ riecht? 

Neben der Frage nach dem „Wer war’s?“ nehmen auch die Trauer und der unerträgliche Schmerz der Mutter großen Raum ein im Film. Der leere Stuhl am Esstisch, die leere Schaukel, die sich im Wind bewegt, der Fußball, der verlassen auf dem Rasen liegt – und die Unfähigkeit ihres Umfeldes, der Mutter in ihrer Not beizustehen. Ziemlich zum Schluss zitiert Leitmayr Voltaire: „Den Lebenden schuldet man Respekt, den Toten die Wahrheit“, sagt er und fügt hinzu, dass er diesen Satz eigentlich falsch findet. „Ich finde, man schuldet auch den Lebenden die Wahrheit.“

Die ganze gibt es dann allerdings doch nicht. Heftige Konfliktlinien in den beiden befreundeten Familien werden immer wieder angedeutet, ohne komplett auserzählt zu werden. Dafür fehlt bei einem 90-Minüter dann wohl – im Vergleich zur Serie – einfach die Zeit. Aber dass man gerne noch mehr gesehen hätte, ist ja auch nicht das Schlechteste, was man über einen Münchner „Tatort“ sagen kann.

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  • Tatort-Logo-Vorspann: © ARD/SF DRS/ORF/WDR

3 Kommentare im Forum

  1. Nächsten Sonntag gibt es keine Tatort-Wiederholung, sondern einen neuen Film der Reihe "Polizeiruf 110". Strotti
  2. Leider wieder so ein experimenteller Tatort, den ich zum Schluß nur noch im Schnelldurchlauf geschaut habe. Anders war es nicht mehr erträglich. Da musste anscheinend wieder ein Regisseur eine Arbeit für das 'Oberseminar Filmkunst' abliefern. Ein farbentsättigtes Bild, 'schräge' Kameraperspektiven, kaum Dialog (es dauerte fast eine Viertelstunde, bis ein Kommissar mal etwas sagte) und ständige Musikuntermalung. Da hätte man doch gleich das Ganze in Schwarzweiss als Stummfilm drehen sollen, das wäre konsequent gewesen. Die Darsteller sind zu bedauern, da gab es die Gage wohl als 'Schmerzensgeld'...
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