Kommentar: „Thüringen Zwei“ – das Rundfunkbeitrag-Beben

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Rundfunkbeitrag
© Auerbach Verlag

Sachsen-Anhalt lehnt die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab, was sich für viele Gebührenzahler doch erst mal positiv anhört, aber was steckt politisch überhaupt dahinter?

Dass ein (recht kleines) Bundesland mit der skurrilen Mehrheit Regierungspartei CDU und Oppositionspartei AFD das gesamte Deutschland durch seine Ablehnung der vorgeschlagenen Erhöhung der Rundfunkgebühr, was laut des KEF-Vorsitzenden verfassungswidrig wäre, in extreme Nöte bringen wird, bedeutet für die AFD jetzt schon kaum zu fassendes Glück. So twitterte sie: „AFD wirkt: CDU stimmt mit AFD gegen GEZ-Erhöhung!“ 

Dass es die GEZ schon länger nicht mehr gibt, darf eine Randnotiz bleiben, aber dass die AFD ihre Wirkung begriffen hat, während die CDU dabei ist, sich in Sachsen-Anhalt selbst zu zerlegen, und die Bundespartei und jedes Bundesland mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk ein Beben zu erwarten hat, ist eine Erkenntnis, die sich langsam herum spricht. 

Aber von vorn: Die CDU in Sachsen-Anhalt liebäugelt schon seit einem Jahr offen damit, sich früher oder später mit der AFD in ein (Koalitions-) Bett zu legen. Aber es fehlte die konkrete Gelegenheit, obwohl sie erkannte, dass mit dem Rundfunkbeitrag bzw. seiner Erhöhung zum 31. Dezember 2020 eine Deadline gesetzt war, zu der entschieden werden muss, ob es zu einer Erhöhung kommt oder nicht. Dass die AFD den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen will, und deshalb jede Erhöhung ablehnt, sollte dabei jedem Beobachter klar sein. 

Unter den Mitgliedern in dieser CDU-Fraktion, die sich in den letzten Wochen immer deutlicher und absurder zu dem Thema geäußert hatten, waren auch die beiden Fraktions-Vize-Chefs Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, die eben vor einem Jahr in einer Denkschrift offen kundtaten, wie gut sie sich eine Koalition mit der AFD für die Zukunft vorstellen konnten.

Im Klartext empfiehlt der medienpolitische Sprecher der CDU in Sachsen-Anhalt, Manfred Kurze, inzwischen öffentlich, dass es endlich Zeit wäre, den Saarländischen Rundfunk und Radio Bremen dicht zu machen und mit SWR und NDR zu verschmelzen. Dass dies kein Job für Intendantinnen und Intendanten ist, weiß Herr Kurze bestimmt, und dass das saarländische Parlament mit seinem CDU-Ministerpräsidenten Tobias Hans an der Spitze der Erhöhung des Rundfunkbeitrages jüngst zugestimmt hatte, ebenso.

Man kann dieses Spiel munter Bundesland für Bundesland beobachten, und trifft überall auf das gleiche Phänomen – die CDU und natürlich die CSU stimmen geschlossen, aus übrigens einfach nachvollziehbaren Gründen, für die Erhöhung, ebenso die jeweiligen Koalitionspartner in den Regierungen, nur eben in Sachsen-Anhalt nicht.

Dort wird man allerdings durch die gleiche CDU-Fraktion, die so praktische Tipps für die Saarländer hat, extrem aggressiv, wenn man solch kluge Einsparmöglichkeiten auch auf ihr Bundesland anwenden würde. Die Tatsache, dass der dortige MDR durch die Nicht-Erhöhung über 150 Millionen einsparen müsste, wurde übersetzt in die Möglichkeit, dass man dann womöglich ein Funkhaus im Sendegebiet der Drei-Länder-Anstalt MDR schließen muss. Da es in Sachsen und in Thüringen jeweils eines davon gibt, in Sachsen-Anhalt aber deren zwei, liegt es auf der Hand, wo man zuerst Hand anlegen könnte. Diese Möglichkeit kommentierte der CDU-Abgeordnete Detlev Gürth mit den Worten „Sollten die großkopferten Herrschaften einen Rachefeldzug planen und den widerspenstigen Dörfern in Sachsen-Anhalt zu schaden versuchen, indem sie anfangen, Landesfunkhäuser zu schließen, dann wird es ein Beben geben, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht vorstellen können.“ Diese Logik der CDU in Sachsen-Anhalt, der ARD im Saarland und in Bremen kluge Ratschläge wegen Einsparungsmöglichkeiten zu erteilen, aber gleichzeitig mit „Beben“ zu drohen, wenn die gleiche ARD dies in ihrem Bundesland tun würde, offenbart diesen Wahnsinn einer Fraktion, die tatsächlich am liebsten mit der AFD schon längst koalieren, und ihren auffällig stillen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff in den Ruhestand schicken würde. Dieser wird in dem ganzen Treiben zur tragischen Figur: Seine Partei treibt ihn in einen offenen Disput mit den Koalitionspartnern SPD und den Grünen, da diese für die Erhöhung stimmen werden, und ihn selbst dazu, seinen eigenen Antrag dazu im Parlament abzulehnen. Es scheint nicht die Frage, ob diese Koalition daran zerbrechen wird, sondern nur wann.

„Thüringen Zwei“ geht inzwischen als formelhafter Begriff durch die Gänge in den Parlamenten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Und so wie es der FDP bei „Thüringen Eins“ ging, scheint die Bundespartei der CDU sich noch im Tiefschlaf ob des Bebens, welches man aus Magdeburg und Halle deutlichst hören und spüren kann. Es geht nicht mehr um die Erhöhung des Rundfunkbeitrages oder vielleicht ging es darum von Anfang nicht. Es geht vielmehr um die traurige Tatsache, dass zumindest Teile der CDU-Fraktion ganz offen den Schlüssel zu einer Koalition mit der AFD suchten, und ihn mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten fanden.

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  • rundfunkbeitrag2019: © Auerbach Verlag

3 Kommentare im Forum

  1. Schade ist das es jetzt zum Kleinkrieg zwischen den Regionen zu kommen droht, statt das man endlich da sparen würde wo es schmerzfrei möglich wäre. Nämlich die regionalen Spartenprogramme zu bundesweiten Spartenprogrammen zusammenzulegen, und mehr zu kooperieren. Wenn nur ARD oder ZDF und nicht immer Beide zu Olympia und EM/WM fahren würden, dann wäre das kein Verlust.
  2. Schlecht recherchieret. Der Medienpolitische Sprecher der CDU Sachsen- Anhalt heißt Markus Kurze .
  3. "das gesamte Deutschland in extreme Nöte bringen wird" (?). Ich finde diese Einleitung etwas skurril. Vielleicht könnte man dies bei den Milliarden, die der ÖRR schon jetzt erhält, etwas ausführen und dessen "Nöte" (nicht die Gesamtdeutschlands) etwas ausführen. Wie sie ja selber schreiben, ist dies eine gute Nachricht für die Gebührenzahler, sorry, Beitragszahler. Gerade noch die Wording-Kurve gekriegt.
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