Angela Merkel: Was bringt sie der Unterhaltungselektronik-Branche?

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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DIGITAL FERNSEHEN befragte Top-Manager der Telekommunikations- und Unterhaltungselektronikbranche, welche Impulse sie von der neuen Kanzlerin Angela Merkel für ihre Unternehmen erwarten.

Wie gelähmt wirkte die Republik während des Regierungsbildungspokers von Union und SPD. Durch das Gezerre um Konzepte und Posten blieben nicht nur die wirklich wichtigen Probleme des Landes fürs Erste liegen, der Verhandlungsmarathon hinter verschlossenen Türen verursachte auch unmittelbare „Kollateralschäden“ in der Wirtschaft.

So ging nach Angaben der Elektronik-Discounters Media Markt der Umsatz in seinen Filialen nach der Wahl „rapide zurück“. Auch bei der Kaufhaus-Kette Galeria Kaufhof wurde es kurz nach der Bundestagwahl im September schwerer, hochpreisige Artikel der Unterhaltungselektronik an den Mann zu bringen. „Größere Anschaffungen wurden aufgrund der unsicheren politischen Lage erst mal auf Eis gelegt“, so eine Sprecherin der Konzernzentrale gegenüber DF. „Der Verkauf niedrigpreisiger Güter lief während des Weihnachtsfests hingegegen schon wieder ganz gut.“
 
Nun steht die neue Bundesregierung und trotz der eher durchwachsenen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht die Branche der Unterhaltungselektronik von einem insgesamt positiven Jahr 2005 aus. „Betrachtet man die Umfragen und Analysen der großen Marktforscher, so hat sich die Stimmung der Verbraucher wieder gebessert“, glaubt etwa Sascha Iwanowsky von der Marketing-Abteilung von Hyundai Image Quest. „Hieraus könnte man in der Tat den Schluss ziehen, dass die Verbraucher die mögliche Regierung aus Union und SPD mittlerweile eher positiv beurteilen.“ Auf einen Mentalitätenwandel bei den deutschen Verbrauchern hofft Christoph Moser, Geschäftsführer der Axing AG: „Der hierzulande derzeit analog des Werbeslogans ‚Geiz ist geil‘ praktizierte Volkssport sollte dem Motto meiner Mutter weichen: ‚Ich bin nicht so reich, als dass ich mir etwas Billiges leisten könnte.'“
 
Von der neuen Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel erhoffen sich die von DF befragten Unternehmen keine kurzfristigen Impulse für ihren Wirtschaftssektor. Pragmatisch gibt sich Dieter Burmester. „Wir Unternehmer sollten nicht auf die Politik warten, sondern im Rahmen der schon vorhandenen Möglichkeiten Netzwerke oder Börsen gründen, um so effektiv wie möglich dem internationalen Wettbewerb zu begegnen“, meint der Gründer und Eigner der Burmester Audiosysteme GmbH. Auch Axing-Geschäftsführer Christoph Moser erwartet nicht viel von der Politik. „Es ist meines Erachtens auch nicht Aufgabe der Regierung, derlei Impulse zu geben“, fügt Moser gegenüber DF hinzu. „Vielmehr erhoffe ich mir, dass Unternehmen und Verbraucher in Zukunft mehr Vertrauen in die Regierung haben und sich dadurch das Konsumklima in Deutschland wieder verbessert.“ Markus Pajonk sucht die Fehler auch bei der Unterhaltungselektronik-Industrie selbst. „Unsere Lobby ist aufgrund ihrer nationalen Schwäche quasi nicht vorhanden. Auch spielen die Verbände in Berlin keine Rolle“, so der Monitor Audio-Sales Manager auf DF-Anfrage. „Im internationalen Vergleich sieht man, dass z.B. HDTV im Ausland dank intensiver Lobby-Arbeit ein viel wichtigeres Thema ist als im High-Tech-Land Deutschland.“

So an den Rand gedrängt die Stimme der Branche im Berliner Lobbyisten-Konzert auch sein mag, so vital präsentiert sie sich bei den Ideen für die Schaffung wirtschaftsfördernder Strukturen. „Als global operierendes Unternehmen haben wir kein Interesse an Marktregulierung. Insbesondere der hohe EU-Zollsatz für TV-Geräte behindert uns einerseits, schafft bei uns andererseits aber auch Arbeitsplätze in Europa“, meint Sascha Iwanowsky von Hyundai Image Quest im DF-Gespräch. „Grundsätzlich sollten staatliche Subventionen sozialverträglich abgebaut werden und die freien Marktkräfte die Wirtschaft regeln.“ Für die freien Kräfte des Marktes plädiert auch Jake Lee. „Der Markt kann sich selbst regulieren, wenn die Politik es schafft, Monopole zu verhindern und den Arbeitsmarkt durch gezielte Anreize auf Seiten der Arbeitgeber und -nehmer anzukurbeln“, so der Topfield-Manager gegenüber DF. „Unser Unternehmen möchte auch in Deutschland weitere Arbeitsplätze schaffen. Dazu brauchen wir aber auch politische Rahmenbedingungen, wie sie in anderen europäischen Ländern üblich sind.“

Während jedoch Hyundais und Topfields koreanischer Heimatmarkt für deutsche Waren frei zugänglich ist, sperrt sich die Volksrepublik China gegen die komplette Öffnung ihres Markts. Durch teilweise auch vorgeschriebene Joint-Ventures mit westlichen Investoren garantieren die Chinesen Beschäftigung im eigenen Lande, erhalten wertvolles Know-how und überschwemmen die Weltmärkte aufgrund von Dumping-Löhnen mit ihren konkurrenzlos billigen Produkten. Aber nicht nur das Lohnniveau, sondern auch unlautere Geschäftsmethoden verzerren die Wettbewerbsbedingungen zu Ungunsten Deutschlands und anderer westlicher Industriestaaten. „Die Waren deutscher Unternehmen werden von den Behörden penibelst dahingehend überprüft, ob sie auch allen Standards entsprechen. Bei importierten Billig-Produkten aus Fernost finden diese Kontrollen nicht statt – ein Skandal!“, entrüstet sich der Eigner der Burmester Audiosysteme GmbH. „Wie kann z.B. ein DVD-Player in Deutschland für 30 Euro verkauft werden, wenn allein die Lizenzgebühren pro Gerät hierzulande 28 Euro kosten? Die Politiker sollten endlich für fairen Wettbewerb sorgen!“
 
Der faire Wettbewerb ist aber gerade in einem Schlüsselbereichen der deutschen Wirtschaft außer Kraft gesetzt, denn der Markt breitbandiger Internetzugänge wird noch immer von der Deutschen Telekom dominiert. Grund dafür ist eine paradoxe Situation: Der Staat selbst reguliert in Form der Bundesnetzagentur, der ehemaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), den Markt eines Unternehmens, an dem er in Form des Bundes und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) noch immer Anteile hält. Dass bei solch einer Konstellation nicht immer so glückliche Regelungen wie etwa bei der Liberalisierung der Telefonnetze durch das Call-by-Call-Verfahren herausspringen, zeigt sich nun beim DSL. „Die Durchleitungsentgelte für Netz-Traffic auf der letzten Meile waren lange Zeit zu hoch“, so der Sprecher der 4friends GmbH gegenüber DF. „Daran wurde zwar schon etwas getan, doch als Anbieter von Breitband-Inhalten sind wir auf weitere Schritte in diese Richtung angewiesen.“ Es sieht jedoch eher so aus, als ob der Deutsche Telekom-Vorstandsvorsitzende Kai-Uwe Ricke offensiver „Pioniergewinne“ einfordert. Ansonsten, so droht der Boss des magentafarbenen Riesen ganz offen, werde man die drei Milliarden Euro, die man ursprünglich in Highspeed-Netze mit Bandbreiten bis zu 50 Mbit/s stecken wollte, halt nicht in Deutschland, sondern woanders investieren – und das obwohl die Kupfer- und Glasfasernetz noch in den guten, alten Bundespost-Zeiten vom Steuerbürger bezahlt wurden.
 
Angela Merkel will Bürokratie abbauen und den Kündigungsschutz lockern. Ihre Ideen fallen bei den von DF befragten Unternehmen der Unterhaltungselektronik-Branche erwartungsgemäß auf fruchtbaren Boden. So nimmt Markus Pajonk vor allem die Zusatzkosten durch zu viel bürokratischen Aufwand ins Visier. „Zwangsgelder für Unternehmen sollten nicht durch viele einzelne Institutionen wie IHK, GEMA, GEZ, EAR und CE, sondern zentral erhoben werden“, schlägt der Monitor Audio-Sales Manager im DF-Gespräch vor. „So hat man als Unternehmen einen besseren Überblick bei den Nebenkosten.“ Für eine Reduzierung des staatliches Einflusses und einen gelockerten Kündigungsschutz plädiert Herbert Lauble. „Im Markt gibt es viel zu viel Einmischung der Politik“, findet der Wela-Geschäftsführer. „Wir wollen als Unternehmer von der Politik nichts geschenkt bekommen, aber der Staat sollte uns Arbeitgeber nicht weiter durch unsinnige Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt behindern.“
 
DF befragte die Wirtschaftsvertreter auch zum Thema Lohnnebenkosten. Die neue Bundesregierung möchte hier vor allem bei den Sozialabgaben ansetzen und den Bürgern netto mehr in der Tasche lassen. Gleichzeitig erhöht man die Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007 auf 19 Prozent, um die Ausfälle bei den Sozialabgaben zu kompensieren. In der Unterhaltungselektronik-Branche stößt dieser Plan auf ein geteiltes Echo. „Woher will Frau Merkel das Geld nehmen, um die Lohnnebenkosten zu senken? Etwa nur aus der Mehrwertsteuererhöhung?“, fragt sich Dieter Burmester. „Dann nimmt sie es den Bürgern erst weg, um es ihnen dann wieder zukommen zu lassen.“ Kritisch äußert sich auch Hyundai-Manager Sascha Iwanowsky: „Eine Mehrwertsteuererhöhung wirkt sich sicherlich nicht positiv aufKaufkraft und Konsumbereitschaft aus.“ Nur Christoph Moser kann der Idee der Lohnnebenkostensenkung etwas abgewinnen. „Wenn die neue Regierung unter Frau Merkel die Steuerlast der mittelständischen Industrie und des Bürgers merklich senkt, verbessert sich auch das Konsumklima automatisch“, sagt der Axing-Geschäftsführer gegenüber DF. „Es ist aber zu befürchten, dass die steuerliche Entlastung lediglich kosmetischen Charakter haben wird.“ Markus Pajonk glaubt, dass das gesamte bisherige System der Steuern und öffentlichen Ausgaben auf den Prüfstand gehört. „Die Ausgabelast“, so der Sales Manager von Monitor Audio im DF-Gespräch, „wird nicht nur gefühlt steigen, solange unsere Systeme gewollt intransparent bleiben.“ Auch Oliver Ückerseifer plädiert für einen grundlegenden Systemwandel. „Der Staat generiert einfach zu wenig Einnahmen und die 30 Prozent der Bevölkerung, die erwerbstätig ist, müssen die restlichen 70 Prozent inklusive Diäten und Pensionen durchbringen“, analysiert der 4friends-Sprecher. „An dieser Stelle sehe ich die Stellschraube, an der Frau Merkel drehen sollte.“
 
Doch die zukünftige Regierung Merkel dreht an anderen Stellschrauben – zum Nachteil des Bürgers. Die Mehrwertsteuer wird erhöht, doch dass dafür wie geplant die Lohnnebenkosten gesenkt werden können, erscheint wenig wahrscheinlich. Steigende Rentenbeiträge drohen, den positiven Effekt der geplanten Senkung der Arbeitlosenversicherung zunichte zu machen. Ohne eine anziehende Binnenkonjunktur dürften die Probleme Deutschlands allerdings nicht so schnell zu lösen sein. [mg]

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