Netflix: „Das klassische Fernsehen hat nicht unter uns gelitten“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Netflix ist in Deutschland angekommen. Doch nun gilt es für den Anbieter, sich auf dem hiesigen Markt zu behaupten. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit Netflix-Europachef Joris Evers über die Voraussetzungen des Marktes, die Ängste der heimischen TV-Industrie und die Bedeutung von Netzneutralität.

Herr Evers, Netflix hat seinen Deutschlandstart mittlerweile über die Bühne gebracht. Wie groß war die Resonanz der deutschen Nutzer bislang?
 
Joris Evers: Es ist besonders aufregend zu sehen, wie populär die Netflix-Eigenproduktionen in Deutschland sind. Leider kann ich im Moment nicht mehr zu der Resonanz sagen. Wir werden unseren Quartalsbericht später im Monat veröffentlichen.
 
Bereits im Vorfeld des Starts konnte Netflix eine hohe mediale Aufmerksamkeit für sich verbuchen, die sicherlich mit dem Stellenwert des Dienstes in den USA zusammenhängt. Wie wollen Sie diesen Vorschusslorbeeren in Deutschland gerecht werden?
 
Evers: Es stimmt, dass es schon vor unserer Ankunft in Deutschland viele Diskussionen über Netflix gab und die Erwartungen hoch waren. Wir tun unser Bestes, um diese Erwartungen zu erfüllen, waren aber auch sehr transparent und haben im Vorfeld erklärt, dass Netflix ein interaktiver TV Kanal mit einer kuratierten Auswahl von Titeln ist. Wir haben außerdem gesagt, dass wir unser Angebot erweitern werden. Jetzt, wo wir in Deutschland sind, können wir feststellen, was unsere deutschen Kunden gerne schauen und wir werden daraus lernen und unsere Inhalte dahingehend ausbauen. Wir wollen alle ermutigen, uns auszuprobieren, der erste Monat ist immer kostenlos.

Im Vorfeld Ihres Starts in Deutschland betonten zahlreiche Vertreter von TV-Sendern, sie hätten keine Angst vor Netflix und seien von ihrem eigenen Angebot sehr überzeugt. Warum sollte ein anderer Marktteilnehmer überhaupt Angst vor Netflix haben?
 
Evers: Internet TV ist immer noch relativ neu und es gibt Platz für viele Marktteilnehmer. Wir betrachten uns als ein zusätzliches Angebot. Auf Netflix werden Sie keine Liveevents, Sportübertragungen oder Nachrichten sehen können. In den USA zum Beispiel sind wir zusammen mit HBO gewachsen und das traditionelle Fernsehen hat nicht gelitten.

Der Ausspruch „Content is King“ stammt aus den USA, ist jedoch auch in Deutschland immer öfter zu vernehmen. Die Inhalte tragen zweifellos ein Angebot aber welche Rolle spielen Nutzbarkeit und technische Qualität Ihrer Meinung nach in diesem Zusammenhang?
 
Evers: Für uns ist alles wichtig. Wir arbeiten hart daran, um jedem einzelnen Kunden das perfekte Produkt zu bieten. Jeder Kunde soll großartige Inhalte genießen können, die zu seinen Vorlieben passen. Gleichzeitig soll die Benutzung so einfach wie möglich sein und ein bestmögliches Produkterlebnis garantieren. 
 
Stellt es für Netflix ein Problem dar, dass viele Haushalte in Deutschland über noch keinen breitbandigen Internetanschluss verfügen?
 
Evers: Wir haben Netflix in Lateinamerika eingeführt, bevor wir nach Deutschland gegangen sind, und es hat sehr gut funktioniert. Verglichen mit Lateinamerika hat Deutschland eine sehr gute Breitbandinfrastruktur. Wir arbeiten zudem mit Breitbandanbietern zusammen, um das Netflix-Erlebnis zu optimieren. Außerdem passt Netflix die Datenübertragungsgeschwindigkeit automatisch der gerade verfügbaren Bandbreite an. Deshalb kann die benötigte Bandbreite stark variieren – von 0,5 MBit/s für SD bis zu 5,0 MBit/s für HD.
 
In der Vergangenheit hatten deutsche Telekommunikationsanbieter immer wieder eine Datendrosselung gefordert. Dies würde bedeuten, dass Internetnutzer nur noch begrenzte monatliche Datenmengen verwenden dürften. Wie stehen Sie als VOD-Anbieter dazu?
 
Evers: Wir sind klare Verfechter der Netzneutralität. Wir sind der Meinung, dass die Verbraucher den Internetzugang bekommen sollten, für den sie bezahlen. Wenn Telekommunikationsanbieter ihre Geschwindigkeit für manche Webseiten drosseln – ob sie damit eine zusätzliche Zahlung oder einen Wettbewerbsvorteil erreichen wollen – ist es immer zulasten der Verbraucher. Dieses Jahr haben wir im Europäischen Parlament und in der Europäischen Kommission eine große Unterstützung für die Netzneutralität festgestellt, und es gibt wachsende Unterstützung innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten.
 
Vielen Dank für das Gespräch.[ps]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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20 Kommentare im Forum

  1. VOD Dienste, egal ob Netflix, Maxdome, Amazon Prime, etc. werden vorerst auf das lineare Fernsehen in Deutschland keinen nennenswerten Einfluss haben. In Deutschland sind nur sehr wenige Nutzer dazu bereit, für Content Geld in die Hand zu nehmen. Was nicht umsonst angeboten wird, wird halt nicht geschaut. Wenn man dann noch bedenkt, wie wenige Smart-TVs überhaupt mit dem Netzwerk verbunden sind und wie gering selbst die Abdeckung mit PVRs in Deutschland ist, wird das lineare Fernsehen noch viele Jahre vor sich haben, bevor VOD-Dienste einen nennenswerten Marktanteil haben dürften.
  2. AW: Netflix: "Das klassische Fernsehen hat nicht unter uns gelitten" Das Problem ist eher: Kenne ich nicht = brauche ich nicht. Es ist noch ein langer Weg bis die Normalos die Vorurteile gegenüber VoD ablegen und erkennen das man für 9€/Monat den Werbeterror im FreeTV entgehen kann. SmartTV mit denen sich VoD sinnvoll (eingebautes WLAN) nutzen lässt gibt es erst seit wenigen Jahren.
  3. AW: Netflix: "Das klassische Fernsehen hat nicht unter uns gelitten" Das hat nichts mit Vorurteilen sondern dem gegenwärtigen Angebot zu tun. Wo bekomme ich denn bei den VoD-Flat-Anbietern derzeit eine große Auswahl an: Nachrichten, Live-Sport, aktuelle Dokus und Magazine, Filme neueren Datums, Unterhaltungsshows und aktuelle Comedy-/Kabarettsendungen. Der Vorteil von linearem TV ist für mich gerade nicht das Film- und Serienangebot, sondern die Aktualität. Da können VoD-Anbieter zwangsläufig nicht mithalten. Für aktuelle Filme nutze ich VoD - weil ich mir selten eine DVD/BD kaufe - im Einzelabruf. Aber das, was einen beim derzeitigen VoD-Flat-Angebot interessiert, hat man an einem Wochenende doch durch. Für so einen geringen Monatspreis kann man eben kein Rundum-sorglos-Paket erwarten. Und: Solange man sich alle paar Jahre einen neuen TV kaufen muss, weil die Technik und Apps danach nicht mehr unterstützt werden, wird es auch ein Nischenprodukt bleiben.
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