Jetzt im Kino: Hommage an Ennio Morricone und die Welt aus Sicht der Tiere

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Esel in rotem Farbfilter
Foto: Rapid Eye Movies

Wer rund um die Weihnachtszeit den heimischen Fernsehbildschirm gegen die große Leinwand im Kino tauschen will, wird in dieser Woche mit einem vielseitigen Programm belohnt. DIGITAL FERNSEHEN stellt ausgewählte Neustarts vor.

„Ennio Morricone – Der Maestro“

Ein Jahr musste vergehen, bis das Kinopublikum nun auch in Deutschland in den Genuss dieser mitreißenden musikalisch-filmischen Symphonie kommt. „Ennio Morricone – Der Maestro“ feierte seine Weltpremiere bereits 2021 im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig. Fast drei Stunden hat sich Regisseur Giuseppe Tornatore Zeit genommen, um dem berühmten titelgebenden Komponisten ein Denkmal zu setzen. Aus Gestikulationen, Trockenübungen, Gymnastik entspinnt sich dieses Kaleidoskop an Erinnerungen, Interviewtönen, zeitlos bezaubernden Klängen, Archivbildern, Szenen großer Kinoereignisse. In seinem Zuhause versetzt Morricone den eigenen Körper in Bewegung, dehnt und streckt die Glieder. Irgendwann beginnt er, ein unsichtbares Orchester zu dirigieren.

Unzählige Titel der Filmgeschichte hat Morricone mit seinen Melodien bereichert. Tornatores Film beleuchtet deren Kraft, schwelgt in ihren erklingenden Noten. Er zeichnet ihren Schöpfer als rastlosen Virtuosen. Vor allem ist das glücklicherweise kein Film, der sich ewig mit persönlichen Befindlichkeiten aus dem Privatleben des Maestros aufhalten würde. Er interessiert sich für das Werk und dessen Rezeption. Schwerlich mag es mitunter sein, in dem zackig montierten Bild- und Klangreigen Pausen zu finden, um das Gesehene und Gehörte verarbeiten zu können. Das Voice-Over in der deutschen Synchronfassung verstärkt diese Atemlosigkeit nur noch mehr. Und doch hätte man dieser Film-Ikone und ihrem üppigen Schaffen wahrscheinlich kaum eine dichtere, wirkmächtigere Kino-Zeitreise schenken können.

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Ebenfalls neu im Kino: „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“

DreamWorks gelingt mit diesem Familienfilm etwas, das man nur noch selten so mitreißend im Animationskino findet. Während Studios darum buhlen, wer mit Virtualität und technischem Schnickschnack den größtmöglichen Realismus, die möglichst effektive Annäherung an ein Gefühl des Echten vollbringen kann (siehe „Avatar 2„), geht man hier den umgekehrten Weg. Der neue Solofilm über den gestiefelten Kater, jener bekannten Gestalt aus den „Shrek„-Filmen, versucht sich an faszinierenden Trickbildern, die mal in die Suggestion des Dreidimensionalen streben, dann aber auch immer wieder wie abstrakte, zerreißbare, kunterbunt bepinselte Papierflächen auf der Leinwand anmuten. „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“ ist Animationskino explodierender Eindrücke, grotesker Leiber, überdimensionierter Körper und verspielter Formen. Ein Familienfilm, der den Fuß auf dem Gaspedal belässt und dadurch mitunter eine gewisse Eintönigkeit erhält, gewiss, aber der zumindest den Anschein eines utopischen Versuchs erweckt.

Der gestiefelte Kater auf einer Silvesterrakete
Foto: 2022 DreamWorks Animation LLC. All Rights Reserved.

Der gestiefelte Kater flieht dieses Mal vor dem Tod höchstpersönlich: Acht Leben hat er bereits aufgebraucht. Das neunte will er nun dafür aufbringen, an einen magischen Ort zu einem gefallenen Stern zu reisen, der ihm den ultimativen Wunsch erfüllen soll. Doch hinter diesem sind viele her und der Tod naht in Gestalt des bösen Wolfs. Ein garstiger Bäckermeister ist da ebenfalls mit seinem Gefolge unterwegs: ein Ausbeuter. Menschen dienen ihm als Material. „Der gestiefelte Kater“ ist auch ein Film über Oben und Unten, Herren und Diener. Das bewaffnete Kätzchen feiert Partys mit dem Fußvolk in den Gemächern der Mächtigen und muss dafür büßen. Ein charismatischer Rebell für das Kinderkino! Aber ob es reicht, ein wenig am Personalkarussell zu drehen, um seine Welt zu einem besseren Ort zu machen, wie es „Der gestiefelte Kater“ irgendwann suggeriert? Ein naiver Traum zur Weihnachtszeit.

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„Eo“

Und noch ein magisches Tier! Oder ist es gar nicht magisch? Ist das nicht doch nur eine Projektion, die man da sieht? Oder vielmehr: Projektionen, die der Mensch auf den tierischen Körper wirft? „Eo“ von Jerzy Skolimowski ist ein formverliebtes, überbordendes Experiment. Skolimowski hat sich an einer Neuinterpretation des Klassikers „Zum Beispiel Balthasar“ von Robert Bresson versucht. Die ganze grausame Welt tut sich da auf, beobachtet durch Eselsaugen. Das Zirkustier büxt aus, reist durch die Lande, muss leiden, darf staunen, um letztlich doch im Schlachthof zu landen. Spannend ist durchaus, welche filmische Nische sich da in den letzten Jahren herausgebildet hat. Werke wie „Gunda“, „Cow“ oder jetzt „Eo“, die tierische und menschliche Blicke neu befragen, sie kreuzen, durchbrechen, mitunter aber nur reproduzieren. In genau diesem Zwiespalt spielt sich auch dieser Eselsfilm ab.

Esel auf einer Brücke vor Staudamm
Foto: Rapid Eye Movies/ Aneta Gębska i Filip Gębski

Die poetischen Kino-Bilder „Eo“s sind von enormer Anmut, einige der schönsten des Jahres. Wie die agile Kamera Räume erkundet, sie mit Wundern versieht, wie sich flackernde Farben und Lichter, dröhnende Klänge über die Natur legen, das vergisst man nicht so schnell. Und doch verirrt sich der tiefergehende Ausdruck dieser Leidens-Odyssee im dichten Gruselwald. Der Esel darf natürlich nicht nur Esel sein, was den Versuch eines anderen Blicks als den anthropozentrischen scheitern lässt. Ein Werk wie „Cow“ war da mitunter schon weiter! Skolimowskis Esel erscheint hier in zig Gestalten, kulturellen Kontexten und Motiven, die der Film mit großer Leidenschaft zelebriert, aber auch mit allerlei konfusem mythischem Ballast und verkitschten Sehnsüchten auflädt. Der Esel, das Tier der reinen Unschuld, sein Antlitz ist doch nur gefangen im menschlichen Auge und seinen Trugbildern.

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Weitere Kino-Neustarts am 22. Dezember

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  • Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody
  • Verlorene Illusionen
  • Garip Bülbül Neset Ertas
  • Neset ertas 

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